Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer anderweitigen Bedarfsfestsetzung durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen u. a. den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB 12.

2. § 28 Abs. 1 S. 2 SGB 12 ermöglicht eine anderweitige Bedarfsfestsetzung, wenn dieser danz oder teilweise gedeckt ist oder wenn der Bedarf der Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. § 28 Abs. 1 S. 1 1. Variante SGB 12 ist nur anwendbar, wenn der Bedarf des Leistungsempfängers durch einen anderen Sozialhilfeträger ganz oder teilweise gedeckt wird.

3. Eine Leistungsgewährung durch den Sozialhilfeträger setzt nach § 19 SGB 12 voraus, dass der Antragsteller im fraglichen Zeitraum seinen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen sicherstellen kann. Einkommen sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Voraussetzung ist stets, dass einem etwaigen Sachbezug bzw. der Nutzungsmöglichkeit nach der Verkehrsanschauung ein tatsächlicher wirtschaftlicher Wert zugeordnet werden kann, vgl. BSG, Urteile vom 23. März 2010 - B 8 SO 17/09 R und vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.09.2011 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008 verurteilt, dem Kläger über die bisherige Bewilligung hinaus für den Monat August 2008 weitere 21,09 EUR Sozialhilfe zu zahlen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich noch gegen die abweichende Festsetzung seines Bedarfes nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) für den Monat August 2008.

Der am 00.00.1969 geborene Kläger leidet an starken psychischen Einschränkungen. Auf Ersuchen der Beklagten nach § 45 S. 1 SGB XII stellte der Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund, am 28.10.2009 bei ihm volle Erwerbsminderung auf Dauer seit dem 15.03.2005 fest.

Im Jahr 2007 bezog der Kläger zunächst Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nachdem Dr. E vom Gesundheitsamt der Beklagten in einem Gutachten vom 21.06.2007 festgestellt hatte, dass von einer Erwerbsfähigkeit des Klägers in den nächsten beiden Jahren nicht auszugehen sei, beantragte dieser im Juli 2007 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB XII. Dieser Antrag wurde zunächst nicht (positiv) beschieden, weil es Probleme mit der Feststellung des Aufenthaltsortes und möglicherweise entgegenstehendem Vermögen des Klägers gab; fraglich waren der Verbrauch von finanziellen Mitteln auf einem Sparbuch und einem Girokonto sowie der Einsatz von zwei Lebensversicherungsguthaben. Daraufhin strengte der Kläger ein Eilverfahren an, in dem die Beklagte dazu verpflichtet wurde, ihm darlehensweise für die Zeit von November 2007 bis April 2008 Hilfe zum Lebensunterhalt i.H.v. 347,00 EUR monatlich zu gewähren und - ebenfalls darlehensweise - die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit von August 2007 bis April 2008 zu übernehmen (Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) Münster vom 28.11.2007 - S 12 SO 107/07 ER sowie des erkennenden Senats vom 18.04.2008 - L 20 B 141/07 SO ER).

In dem Anschlusszeitraum ab Mai 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger freiwillig laufend weiter monatsweise Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII. Die Leistungen wurden für den Monat Mai 2008 noch als Darlehen erbracht, danach als Zuschuss.

Hinsichtlich einer der beiden Lebensversicherungen des Klägers (Nr. 000) bestand seit April 2007 ein Verwertungsausschluss gemäß § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers. Dieser Ausschluss bezog sich auf jede Nutzung des wirtschaftlichen Wertes der Versicherung zugunsten des Klägers oder eines Dritten, sei es durch Kündigung, Beleihung, Verpfändung oder Abtretung. Die andere Lebensversicherung (Nr. 000), für die ein Verwertungsausschluss nicht vereinbart war, wies im April 2006 einen Rückkaufswert von 3.071,45 EUR und im August 2007 einen Rückkaufswert von 3.112,98 EUR auf. Über ein Sparbuch oder nennenswerte Beträge auf seinem Girokonto verfügte der Kläger im August 2008 nicht mehr. Weitere Vermögenswerte oder anderweitige Einkünfte waren in diesem Monat ebenfalls nicht vorhanden.

Seit dem Frühjahr 2008 wohnte der Kläger übergangsweise in der Wohnung seines Bekannten Herrn F im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Kosten der Unterkunft und Heizung fielen für den Aufenthalt des Klägers in der Wohnung des Herrn F, der sich während dieser Zeit im Krankenhaus befand, nicht an.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.06.2008 ließ der Kläger der Beklagten mitteilen, dass er sich bis auf weiteres weiterhin allein in ...

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