Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Heizkosten. Stromkosten für Heizungspumpe und Zündung der Gastherme. Zulässigkeit der Schätzung bei Nichterfassung des Stromverbrauchs. Schätzmethode. 5 % der Brennstoffkosten. laufende Klage gegen die vorläufige Leistungsbewilligung. Eintritt der Fiktion der endgültigen Entscheidung nach Ablauf der Jahresfrist

 

Orientierungssatz

1. Stromkosten für den Betrieb einer Gastherme, die der Heizung und Warmwasserbereitung dient, zählen zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 47/14 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 87 für Wohneigentümer). Nichts anderes kann für Mieter gelten, bei denen Beheizung und Warmwassererzeugung dezentral über eine nur für ihre Unterkunft installierte Heizungsanlage erfolgen.

2. Wird der Stromverbrauch zum Betrieb der Heizungsanlage nicht gesondert erfasst, sind die Kosten gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 287 Abs 2 ZPO zu schätzen. Anknüpfungspunkte für die Schätzung können sich aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsmethoden ergeben. Sie stellen entweder auf einen geschätzten Anteil (üblicherweise 4-10 %) der Brennstoffkosten ab oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittlichen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 47/14 R aaO). Der Ansatz des Senats den Betriebsstrom auf 5 % der Brennstoffkosten zu schätzen, findet in Rechtsprechung und Schrifttum breite Anerkennung und ist als Schätzmethode geeignet.

3. Dem Eintritt der Endgültigkeitsfiktion gemäß § 41a Abs 5 S 1 SGB 2 steht nicht entgegen, dass die vorläufige Entscheidung im Zeitpunkt des Ablaufs der Einjahresfrist noch Gegenstand eines Klageverfahren und damit nicht bestandskräftig war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.05.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 1/21 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.10.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der bei der Klägerin anfallenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung, namentlich die Berücksichtigung des Zünd- und Pumpstroms für den Betrieb einer Gastherme.

Die Klägerin (* 00.00.1961) steht im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beim beklagten Jobcenter. Der Beklagte bewilligte ihr vorläufiges Arbeitslosengeld II i.H.v. 446,60 Euro monatlich für die Zeit von Mai bis einschließlich Juli 2016 (Bescheid vom 07.03.2016). Sie bewohnte seinerzeit eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Sohn (* 00.00.1990); dieser bezog Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sowie ergänzend einen Zuschuss zu seinen ungedeckten Bedarfen für Unterkunft und Heizung.

Zum 04.06.2016 bezog die Klägerin mit ihrem Sohn eine neue Wohnung im Gebiet der Stadt X. Mitte Juni 2016 zog nach ihrer Rückkehr aus einem Auslandsjahr auch eine Tochter der Klägerin (* 00.00.1992) mit in die Wohnung ein. Die Tochter erzielt seitdem bedarfsdeckendes Einkommen.

Für die neue Wohnung fielen eine Miete von monatlich 350 Euro sowie Betriebskostenvorauszahlungen von monatlich 100 Euro an. Beheizt wird die Wohnung mittels einer Gastherme (Typ Vaillant Thermoblock VCW 180 XEU) mit einer Leistung von 110 W. Diese bereitet zudem das Warmwasser. Für das benötigte Gas fallen Vorauszahlungen von monatlich 90 Euro an, für den Strom 110 Euro.

Der Beklagte änderte daraufhin seinen zuvor ergangenen Bescheid ab und bewilligte der Klägerin für den Monat Juli 2016 wiederum vorläufig Arbeitslosengeld II von lediglich noch 255 Euro (Änderungsbescheid vom 28.06.2016). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

Der Beklagte half dem Widerspruch insoweit ab, als er nunmehr zusätzlich die - zuvor mangels Vorlage des aktuellen Abschlagsplans - nicht berücksichtigten Heizkostenvorauszahlungen als Bedarf anerkannte. Zudem berücksichtigte er den Zünd- und Pumpstrom bei der Klägerin mit monatlich 1,50 Euro; dieser Betrag entspreche einem Drittel von 5 % der Heizkosten (Teil-Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 10.10.2016).

Die Klägerin hat hiergegen am 14.11.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Sie hat vorgetragen, dass die Jobcenter die Kosten für den Zünd- und Pumpstrom rechtlich gesehen zwar schätzen dürften, sie eine solche Schätzung dann aber auch tatsächlich anstellen müssten. Die vom Beklagten berücksichtigten 5 % der Heizkosten seien aber ohne valide Datengrundlage. Die Stromkosten könnten schon deshalb nicht anhand der Brennstoffkosten errechnet werden, weil die Strompreise zuletzt gestiegen, die Kosten für Gas zuletzt aber gefallen seien. Zudem unterscheide sich der Stromverbrauch verschiedener Durchlauferhitzer je nach deren Leistung. Daher seien die Stromk...

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