Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigendes Verwaltungsaktes. Beweislast des Begünstigten. nachträglich vorgetragener Sachverhalt

 

Orientierungssatz

Der von einem Verwaltungsakt Begünstigte trägt im Falle der Rücknahme nach § 45 SGB 10 die Beweislast dann, wenn er nachträglich erstmals andere Tatsachen vorträgt, die den begünstigenden Verwaltungsakt gerechtfertigt hätten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.04.2009; Aktenzeichen B 2 U 25/07 R)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Rücknahme von Verwaltungsakten geführt, mit denen den Klägern Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt worden ist.

Die Kläger sind die Kinder des ....1963 geborenen und ....2001 verstorbenen A S (S), der seit 1997 bei der Firma C S E GmbH in H (Firma C) als Montagearbeiter beschäftigt war.

Die Arbeitgeberin teilte in ihrer Unfallanzeige vom 29.08.2001 mit, S habe am 22.08.2001, 19:20 Uhr einen Arbeitsunfall erlitten, an dessen Folgen er verstorben sei. S habe in Usbekistan an von ihrer Firma gelieferten Maschinen Reparaturarbeiten ausführen sollen. Bei der Rückfahrt von der Arbeit zum Hotel habe er einem entgegen kommenden PKW ausweichen müssen. Dabei habe sich sein Fahrzeug überschlagen. S habe sich Kopfverletzungen zugezogen, die kurze Zeit später zum Tod geführt hätten. Auf telefonische Rückfrage der Beklagten teilte der Mitarbeiter der Firma C L mit, die Angaben in der Unfallanzeige beruhten auf den Ermittlungen eines Mitarbeiters, der nach Usbekistan geflogen sei, und den Auskünften der dortigen Partnerfirma. S habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem direkten Weg von der Arbeit zum Hotel befunden. Der Unfall habe sich nur wenige Meter vom Hotel entfernt ereignet. Beifahrer sei ein Mitarbeiter namens I der russischen Firma gewesen, bei der die Reparaturarbeiten durchgeführt worden seien. Dieser sei bei dem Unfall aus dem Fahrzeug geschleudert, allerdings nicht schwer verletzt worden. Auf nochmaligen Anfrage der Beklagten gab die Firma C die Auskunft, S habe seine Tätigkeit um 19:00 Uhr beendet und die Rückfahrt zum Hotel angetreten. Der direkte Weg von der Firma zum Hotel habe 5 - 6 km betragen. Der Unfall habe sich auf dem direkten Weg von der Arbeit zum Hotel ereignet.

Die Firma C übersandte der Beklagten des weiteren ein Protokoll über die Untersuchung der Unfallstelle durch die Staatsanwaltschaft der Stadt N in Usbekistan sowie eine "Bescheinigung mit Angaben zu einem Verkehrsunfall" und das Protokoll der Untersuchung des Unfallfahrzeuges. Da in diesen Berichten der Beifahrer I nicht erwähnt wird, fragte die Beklagte nochmals telefonisch bei der Firma C nach. Deren Mitarbeiter L teilte am 04.12.2001 telefonisch mit, er habe mit Herrn G H, dem Leiter der Niederlassung der Firma C in Usbekistan, telefoniert. Dieser sei auf dem Weg nach Hause ca. 30 Minuten nach dem Unfall an der Unfallstelle vorbei gekommen und habe angehalten. Er habe Herrn I verletzt am Straßenrand sitzen sehen. Warum dieser im Polizeibericht nicht erwähnt worden sei, könne er sich nicht erklären. I sei aber definitiv Beifahrer zum Unfallzeitpunkt gewesen. Herr G H habe auch nochmals bestätigt, dass der Unfall sich auf dem direkten Rückweg zum Hotel ereignet und Alkoholeinfluss nicht vorgelegen habe.

Die Beklagte bewilligte daraufhin den Klägern mit Bescheiden vom 11.12.2001 Waisenrente.

Im Februar 2002 übersandte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Usbekistan der Beklagten Unterlagen, die ihr von den usbekischen Behörden zur Verfügung gestellt worden waren, nämlich ein gerichtsärztliches Gutachten, eine schematische Darstellung des Unfallortes und einen Stadtplanauszug mit dem Weg des Wagens des Verunglückten. In dem von dem Gerichtsmediziner E unterzeichneten Gutachten heißt es, bei der Leiche seien 3,3 Promille Äthylalkohol im Blut und 1,5 Promille im Urin festgestellt worden.

Die Beklagte teilte daraufhin den Klägern mit Schreiben vom 17.04.2002 mit, es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 11.12.2001 gemäß § 45 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen und die Waisenrente zu entziehen. Sie gab den Klägern Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Im Anhörungsverfahren erfolgte keine Stellungnahme der Kläger. Die Beklagte nahm daraufhin mit Bescheiden vom 15.05.2002 die Bescheide vom 11.12.2001 mit Wirkung für die Zukunft zurück und entzog die Waisenrenten mit Ablauf des Monats Mai 2002. Sie führte aus, aufgrund des gerichtsmedizinischen Gutachtens aus Usbekistan sei der Nachweis der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit erbracht worden.

Diese sei alleinige Ursache des tödlichen Unfalls. Der Bescheid vom 11.12.2001 sei also zu Unrecht ergangen. Sie sei berechtigt, diesen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt zurückzunehmen. Die Kläger hätten keine Vermögensdispositionen im Vertrauen auf die Bewilligung von Waisenrente getroffen, während andererseits zu Unrecht gezahlte Leistungen die Solidargemeinschaft der Unternehmer, die dafür Beitr...

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