Entscheidungsstichwort (Thema)

Auferlegung von Verschuldenskosten wegen missbräuchlicher Rechtsverfolgung

 

Orientierungssatz

1. Liegen die vom Versicherten geltend gemachten Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 SGB 7 i. V. m. Nr. 2301 BKV -berufsbedingte Schwerhörigkeit - nicht vor, so kommt die Zahlung einer Verletztenrente gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB 7 nicht in Betracht.

2. Das Gericht kann dem Kläger nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung auferlegen. Eine solche ist dann gegeben, wenn die Weiterführung des Rechtstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.

3. Bei § 192 SGG handelt es sich um eine Schadensersatzregelung, die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt und dazu führt, dass der Beteiligte die tatsächlichen Kosten für die weitere Bearbeitung des Rechtstreits zu tragen hat.

4. Die für die Absetzung eines Urteils im Berufungsverfahren notwendigen Richterarbeitsstunden erfordern Kosten von durchschnittlich 1400.- €. . Damit sind dem Berufungskläger bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung Verschuldenskosten in Höhe von wenigstens 500.- €. aufzuerlegen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.07.2017; Aktenzeichen B 2 U 8/17 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Dem Kläger werden Kosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 500,00 Euro auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist - im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - insbesondere die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nummer 2301 (BK 2301) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit - und ein Anspruch auf Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie die Gewährung von Hörgeräten.

Der 1952 geborene Kläger war in Bosnien-Herzegowina - nach der Ausbildung zum Maschinenschlosser - vom 21.07.1971 bis 24.11.1971 laut seinen Angaben in einem Bergwerk unter Tage mit Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten beschäftigt. Nach dem Wehrdienst als Telegrafist verrichtete er ab dem 01.03.1973 bei der Firma S zunächst die gleichen Arbeiten wie zuvor. Ab April 1974 war er bei dieser Firma im Auftrag der Firma U im deutschen Steinkohlenbergbau mit Arbeiten im Streckenvortrieb befasst. Die Firma U übernahm die Mitarbeiter der Firma S ab 01.11.1983. Seine Tätigkeit gab der Kläger im Dezember 2003 auf.

Wegen der Folgen von Arbeitsunfällen (09.06.1984, 06.02.1988 und 06.12.2003) sowie wegen weiterer BKen (BK 4101, BK 4102, BK 4111, BK 2102, BK 2103, BK 2104, BK 2106, BK 2108, BK 2109, BK 2110, BK 2112) sind/waren weitere Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auch betreffend die Überprüfung bindend ablehnender Bescheide gem. § 44 SGB X anhängig.

Nach einer ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine BK 2301 (08.04.2008) und weiteren Ermittlungen der Beklagten gelangte der HNO-Arzt Dr. I in einem Gutachten (13.11.2008) unter Hinweis auf deutliche Aggravation des Klägers zusammenfassend zu der Beurteilung, die Anerkennung einer berufsbedingten Schwerhörigkeit sei eindeutig abzulehnen, da die wie auch immer geartete Schwerhörigkeit erst nach Beendigung der beruflich bedingten Lärmexposition im Jahr 2003 aufgetreten und insofern eine Kausalität auszuschließen sei. PD Dr. K, Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, vertrat die Auffassung, eine BK 2301 liege nicht mit versicherungsrechtlich ausreichender Wahrscheinlichkeit vor (Stellungnahme vom 12.12.2008). Die Beklagte lehnte das Vorliegen einer BK 2301 ab (Bescheid vom 13.01.2009).

Der Kläger erhob Widerspruch (Schreiben vom 09.02.2009 und 16.03.2009). Der Technische Aufsichtsbeamte T gelangte zu der Einschätzung (17.04.2009), der Kläger sei - neben Zeiträumen von Tätigkeiten im früheren Jugoslawien - in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von November 1983 bis Dezember 2003 gehörgefährdendem Lärm mit Tageslärmexpositionspegeln zwischen 85 und 104 dB(A) ausgesetzt gewesen. Dr. I1 nahm in einem hno-ärztlichen Gutachten (16.11.2009) eine berufliche Lärmschädigung als Teilursache der allerdings teilweise unterschiedlich angegebenen Schwerhörigkeit beidseits mit leichter Hochtonsenke an. Bei einer Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 bewertete er den beruflichen Anteil unter Berücksichtigung eines Tinnitus mit 10 %. Nach Beiziehung weiterer Unterlagen ergänzte er (06.01.2010), der Tinnitus sei im Rahmen einer psychogen-depressiven Reaktion entstanden und die berufliche Lärmschädigung auf unter 10 % einzuschätzen. Die Beklagte erkannte das Vorliegen einer BK 2301 an und verneinte einen Anspruch auf Rentenzahlung (Widerspruchsbescheid vom 15.03.2010).

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