Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. volljähriges behindertes Kind. Einkommenseinsatz. Zurechnung des Kindergeldes

 

Leitsatz (amtlich)

Bezieht ein volljähriger, behinderter, nicht im Haushalt der Eltern lebender Mensch Leistungen nach §§ 41ff SGB 12, ist das dem Elternteil als Kindergeldberechtigten gewährte Kindergeld nicht leistungsmindernd zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.08.2008; Aktenzeichen B 8/9b SO 16/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung des an die Eltern des Klägers gezahlten Kindergeldes auf die ihm gewährten Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung.

Der am 00.00.1969 geborene Kläger bewohnt eine eigene Wohnung im Rahmen des Betreuten Wohnens und bezieht seit dem 01.01.2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Zusätzlich erhält er eine Lohnprämie für seine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Die Eltern des Klägers erhalten für diesen Kindergeld. Bis zum 31.12.2004 bezog der Kläger Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG). Darauf wurde ein Kindergeldbetrag in Höhe von 154,00 EUR angerechnet.

Am 15.11.2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.

Mit Bescheid vom 21.12.2004 gewährte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2005 in Höhe von 516,10 EUR monatlich. Ausweislich der beigefügten Berechnung berücksichtigte die Beklagte neben einem bereinigten Erwerbseinkommen in Höhe von 140,28 EUR den Kindergeldbetrag in Höhe von 154,00 EUR monatlich als Einkommen des Klägers.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 03.01.2005 am 06.01.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, Anspruchsberechtigte des Kindergeldes seien seine Eltern. Aus § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ergebe sich im Umkehrschluss, dass bei volljährigen Kindern das Kindergeld den Eltern zugerechnet werden müsse.

Mit Bescheid vom 21.01.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger, wiederum unter Anrechnung von Kindergeld, Leistungen für die Zeit vom 01.02.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von 516,10 EUR monatlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass der Schutzauftrag des Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) von den Eltern nur erfüllt werden könne, wenn sie die Befugnis hätten, ihrem einkommens- und vermögenslosen Kind das weiterzuleiten, was ihnen die staatliche Gemeinschaft für das Kind zuwende. Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 09.04.2003 (1 BvR 1/01, 1 BvR 1749/01) ausgeführt, dass das Kindergeld nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 31 Einkommenssteuergesetz (EStG) ein steuerlicher Ausgleich und zugleich eine familienfördernde Sozialleistung sei. Dabei werde weder gesetzlich bestimmt noch sei nach festen Beträgen bestimmbar, welcher Anteil des Kindergeldes auf die steuerliche Entlastung entfalle und welcher staatliche Förderleistung sei. Allerdings diene gerade der Steuerausgleich der Freistellung des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfes eines Kindes, also auch des Bedarfs, der die Existenz des Kindes sicher stelle. Soweit dieser Bedarf vom Unterhaltspflichtigen mit seinen Unterhaltszahlungen in Höhe des notwendigen Minimums nicht abgedeckt werde, könne das Kindergeld nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben. Die Belastung, die insoweit nicht vorhanden sei, sei auch nicht steuerlich auszugleichen. Vielmehr sei das Kindergeld in diesem Umfang Sozialleistung zum Zwecke der Sicherung des Existenzminimums des Kindes. Der Lebensunterhalt werde durch die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII sicher gestellt. Das Kindergeld könne also nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben, sondern habe als Sozialleistung den Zweck, das Existenzminimum zu sichern.

Der Kläger hat am 09.03.2006 Klage erheben lassen, wobei die Klageschrift von einer Sozialarbeiterin unterschrieben war. Zur Begründung hat der Kläger in einem von ihm unterschriebenen Schriftsatz unter Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, dass auch das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidungen der dortigen Vorinstanzen bestätigt habe, die das Kindergeld nicht als Einkommen angesehen hätten. Ihm sei in der Vergangenheit zu Unrecht das Kindergeld von der Sozialhilfe abgezogen worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2005 zu verurteilen, weitere Grundsicherungsleistungen in Höhe von 154,00 EUR monatlich zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung se...

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