Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Erfolg des Widerspruchs. Zulässigkeit. Vorhandensein eines Verwaltungsakts. Entscheidung über die Bewilligung einer Nachzahlung von Sozialleistungen ohne Eingehen auf einen Zinsanspruch nach § 44 SGB 1

 

Leitsatz (amtlich)

Enthält ein Bescheid, der eine Nachzahlung von Sozialleistungen bewilligt, keinerlei Ausführungen zu einer Verzinsung nach § 44 SGB I, so liegt darin keine konkludente Ablehnung einer Verzinsung (Abweichung von BSG vom 11.9.1980 - 5 RJ 108/79 = USK 80179 = juris RdNr 17). Ein dagegen erhobener Widerspruch, der sich allein gegen die (vermeintliche) Ablehnung der Verzinsung richtet, ist mangels Anfechtung eines Verwaltungsakts unzulässig und damit zugleich nicht iS von § 63 SGB X erfolgreich.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.07.2020; Aktenzeichen B 8 SO 5/19 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.03.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für ein durchgeführtes Widerspruchsverfahren.

Der 1953 geborene Kläger bezieht seit dem 01.02.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund und ergänzend aufstockende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Ursprünglich wohnte der Kläger in H, seit Juni 2012 wohnt er in E.

Mit Bescheid vom 19.06.2007 bewilligte die Stadt H im Namen des Beklagten dem Kläger Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 30.06.2008 unter Berücksichtigung lediglich der als angemessen angesehenen, nicht jedoch der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2008 zurück. Hiergegen erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Hildesheim Klage (S 34 SO 107/08, später S 34 SO 4/15). Am 19.02.2015 erließ die Stadt H im Namen des Beklagten einen Änderungsbescheid, in dem sie die tatsächlichen Unterkunftskosten als angemessen anerkannte und entsprechende Leistungen bewilligte. Der Kläger teilte daraufhin dem Gericht mit, dass der Beklagte die Klageforderungen vollständig anerkannt habe. Er nehme das Anerkenntnis an und erkläre das Verfahren für erledigt.

Gegen den Änderungsbescheid vom 19.02.2015 legte der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 02.03.2015 Widerspruch ein, weil der ausgewiesene Nachzahlungsbetrag nicht verzinst werde. Hilfsweise beantragte er die Verzinsung nach § 44 SGB I.

Am 09.06.2015 erhob der Kläger - inzwischen in E wohnhaft - vor dem Sozialgericht Hildesheim Untätigkeitsklage, mit der er die Bescheidung seines Widerspruchs vom 02.03.215 begehrte. Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss vom 09.07.2015 an das örtlich zuständige Sozialgericht Dortmund verwiesen und dort unter dem Aktenzeichen S 43 SO 415/15 geführt.

Die Stadt H erließ daraufhin im Namen des Beklagten am 18.06.2015 einen Bescheid, mit dem sie Zinsen gemäß § 44 SGB I u.a. auf den Nachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 30.06.2008 i.H.v. 18,82 EUR bewilligte.

Der Kläger wies mit Schreiben vom 22.06.2015 darauf hin, dass der Bescheid vom 18.06.2015 eine vollständige Abhilfe im Widerspruchsverfahren darstelle, er aber keine Kostenentscheidung enthalte. Er beantrage daher, eine Kostenentscheidung zu treffen sowie über die Notwendigkeit der Hinzuziehung seines Bevollmächtigten zu entscheiden. Die Untätigkeitsklage führte er gleichwohl fort.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 19.02.2015 betreffend den hier streitigen Leistungszeitraum zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig. Der Bescheid vom 19.02.2015 sei nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 34 SO 4/15 geworden. Der Zinsanspruch hätte in diesem Klageverfahren geltend gemacht werden müssen. Der Kläger hätte daher die Klage nicht für erledigt erklären dürfen, wenn er noch eine Entscheidung zu den Zinsen begehrt habe. Sei es nicht möglich gewesen, den Zinsanspruch im Klageverfahren geltend zu machen, so seien diese zunächst zu beantragen gewesen.

Der Kläger hat daraufhin die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt.

Am 01.10.2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Der Widerspruch sei bereits nicht unzulässig gewesen. Der Bescheid vom 19.02.2015 sei jedenfalls nicht hinsichtlich der Verzinsung Gegenstand des Verfahrens S 34 SO 4/15 vor dem Sozialgericht Hildesheim geworden. Die Haupt- und Zinsentscheidung seien in zwei selbständigen Verwaltungsakten zu verlautbaren. Der Bescheid vom 19.02.2015 enthalte zugleich (stillschweigend) eine Ablehnungsentscheidung hinsichtlich der Zinsen.

Der Kläger hat schriftsätzlich (in der Antragsfassung des Sozialgerichts) beantragt,

1. den Widerspruchsbescheid vom 25.09.2015 aufzuheben, soweit darin der Widerspruch v...

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