Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten bei Ausbildungsförderung. kein Wegfall der abstrakten Förderungsfähigkeit nach BAföG bei ausbildungsintegriertem dualem Studium. volle Inanspruchnahme durch das Studium. Anwendbarkeit der BAföGVwV für die Beurteilung der sachlichen Förderkriterien. Zeiten im Ausbildungsbetrieb. Arbeitnehmereigenschaft. weitere Fördermöglichkeit dem Grunde nach neben der Ausbildungsförderung. Berufsausbildungsbeihilfe

 

Orientierungssatz

1. Bei einem dualem Studium ist unabhängig von der konkreten zeitlichen Aufteilung für Studium und betrieblicher Ausbildung für die Förderungsfähigkeit die Inanspruchnahme des Studiums im Allgemeinen und als Vollzeitausbildung gem § 2 Abs 5 BAföG relevant. Dabei ist es sachgerecht auf die Studienordnung abzustellen und die BAföGVwV anzuwenden.

2. Bei der Beurteilung, ob ein Studium gem § 2 Abs 5 S 1 BAföG die Arbeitskraft des Studierenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt, ist auf die Semesterwochenstundenzahl abzustellen, die sich aus den für das Erreichen der Leistungspunkte gem der Prüfungsordnung zu belegenden Veranstaltungen zuzüglich der Zeiten für Vor- und Nachbereitung ergibt.

3. Für die Förderungsfähigkeit gem § 2 Abs 5 BAföG ist es nicht maßgebend, ob der Student in seiner Ausbildung im Ausbildungsbetrieb seinem Erscheinungsbild nach als Arbeitnehmer und nicht als Student anzusehen ist, da das Bestehen bzw Nichtbestehen eines Sozialversicherungspflichtverhältnisses für eine Förderung nach dem BAföG unerheblich ist.

4. Weitere dem Grunde nach bestehende Fördermöglichkeiten (hier: Berufsausbildungsbeihilfe) neben derjenigen nach dem BAföG stehen dem Leistungsausschluss gem § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 nicht entgegen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2023; Aktenzeichen B 7 AS 11/22 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), inzwischen nur noch für die Zeit von Mai 2019 bis Juli 2020.

Der 1980 geborene Kläger nahm nach dem Abitur ein Studium der Meteorologie auf, für das er ohne Abschluss 31 Semester eingeschrieben war. Ab 2015 war er in verschiedenen Tätigkeiten abhängig beschäftigt, zuletzt bis August 2018 als Museumsaufsicht.

Im August 2018 beantragte der Kläger Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten.

Zum 01.09.2018 nahm er ein Studium an der Fachhochschule (FH) B im Bachelorstudiengang Angewandte Mathematik und Informatik auf. Am 03.09.2018 begann er zudem eine Ausbildung zum Mathematisch-technischen Softwareentwickler. Den Ausbildungsvertrag hatte er am 29.05.2018 mit der Hochschule C für den Zeitraum vom 03.09.2018 bis zum 02.09.2021 geschlossen. Vereinbart war im Ausbildungsvertrag ein Ausbildungsentgelt i.H.v. 936,82 EUR im ersten Ausbildungsjahr, i.H.v. 990,96 EUR im zweiten Ausbildungsjahr sowie i.H.v. 1.040,61 EUR im dritten Ausbildungsjahr. Daneben verfügte der Kläger im streitigen Zeitraum über keine weiteren Einkünfte. Unter "Sonstiges" enthält der Vertrag folgende Regelung: "Die Ausbildung zum Mathematisch-technischen Softwareentwickler erfolgt in Kombination mit dem dualen Studiengang Angewandte Mathematik und Informatik an der Fachhochschule (FH) B. Der Auszubildende ist verpflichtet, sich in diesen Studiengang an der FH B zu immatrikulieren." Ferner war in § 4 des Vertrages bestimmt, dass für die Dauer der Immatrikulation an der FH B die Berufsschulpflicht ruht. § 5 regelte die regelmäßige durchschnittliche Ausbildungszeit und die tägliche Ausbildungszeit. Der Vertrag wurde am 26.06.2018 in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse der Industrie- und Handelskammer eingetragen.

Mit Bescheiden vom 03.09.2018 und 06.11.2018 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen jeweils mit der Begründung ab, eine Entscheidung sei nicht möglich, weil Unterlagen fehlten und Hilfebedürftigkeit damit nicht nachgewiesen sei.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) lehnte einen Antrag des Klägers auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) vom 30.01.2019 ab (Bescheid vom 12.02.2019) mit der Begründung, die erforderlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts stünden anderweitig zur Verfügung. Von einer Prüfung der sonstigen Voraussetzungen habe die BA abgesehen.

Den Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) lehnte das Studierendenwerk B als Amt für Ausbildungsförderung unter Verweis auf § 7 Abs. 3 BAföG ab (Bescheid vom 01.04.2019). Der Kläger habe für die Dauer von 31 Semestern in der Fachrichtung Meteorologie studiert. Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung werde geleistet, wenn der Auszubildende aus wichtigem Grund oder aus unabweisbarem Grund die Ausbildung abgebrochen oder die Fac...

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