Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung. Coil-Implantation zur Behandlung einer schweren chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. neue Untersuchungs- bzw Behandlungsmethode. Voraussetzung eines aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien ableitbaren Behandlungserfolgs. Qualitätsgebot bei Coil-Implantation nicht eingehalten. keine abweichendes Ergebnis bezüglich der Nichteinhaltung des Qualitätsgebotes aufgrund der Einstufung als Potentialleistung im Sinne von § 137c SGB 5

 

Orientierungssatz

1. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse setzt ua voraus, dass die stationäre Behandlung des Versicherten nach § 39 Abs 1 SGB 5 erforderlich war.

2. Eine neue Untersuchungs- bzw Behandlungsmethode darf im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung nur dann angewendet werden, wenn der Behandlungserfolg aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode abzulesen ist.

3. Bei der sog Coil-Implantation zur Behandlung einer schweren chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung wird das Lungengewebe durch den Einsatz von Spiralen zum Zweck der Volumenverringerung zusammengezogen. Diese Behandlungsmethode entspricht nicht dem Qualitätsgebot in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB 5.

4. Auch wenn eine Lungenvolumenreduktion mittels Coils das "Potential" einer erforderlichen Behandlungsalternative im Sinne von § 137c Abs 1 SGB 5 bzw § 137c Abs 3 SGB 5 ggf geboten haben mag, erfüllt sie zumindest 2016 jedenfalls nicht die hohen, sich aus § 2 SGB 5 und § 12 SGB 5 ergebenden Anforderungen.

5. Aus § 137c Abs 3 SGB 5 lässt sich ein von dieser Schlussfolgerung abweichendes Ergebnis nicht rechtfertigen.

6. Weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 137c Abs 3 SGB 5 den Vorrang des Qualitätsgebots und damit die bisherige Grundkonzeption aufgeben wollte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.12.2022; Aktenzeichen B 1 KR 33/21 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 18.10.2018 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu 4/5; die Beklagte zu 1/5. Der Streitwert wird auf 28.257,18 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der klagende Krankenhausträger verlangt von der beklagten Krankenkasse die Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 28.257,18 Euro.

In dem von der Klägerin betriebenen zugelassenen Krankenhaus wurde der bei der Beklagten krankenversicherte G Q (geb. 00.00.1946) in der Zeit vom 11.04.2016 bis 16.04.2016 sowie ferner vom 30.05.2016 bis 04.06.2016 stationär behandelt. Der Versicherte litt an einer schwerstgradigen chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit funktional relevantem Lungenemphysem sowie respiratorischer hypoxischer Insuffizienz unter körperlicher Belastung. Die stationäre Aufnahme des Versicherten erfolgte in Absprache mit dem behandelnden Pulmologen zur Abklärung der Indikation für eine endoskopische Lungenvolumenreduktion durch sog. Coils. Bei dieser Methode wird das Lungengewebe durch den Einsatz von durchschnittlich 10 Spiralen pro Lungenflügel, sog. Coils, zum Zwecke der Volumenverringerung zusammengezogen. Luftsäcke werden so verkleinert und durch Offenhaltung der Atemwege während des Ausatmens wird einer Lungenaufblähung und damit einhergehenden Atemproblemen entgegengewirkt. Nach einer ersten Operation während des stationären Aufenthalts im April 2016 erfolgte der zweite Eingriff im Rahmen des stationären Aufenthalts im Mai/Juni 2016 zur Implantation weiterer Coils.

Die Klägerin stellte der Beklagten auf der Grundlage der DRG E02B (andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen mit aufwändigem Eingriff oder schwerste CC Alter ) 9 Jahre) unter dem 13.05.2016 einen Betrag in Höhe von 15.226,01 Euro für den Aufenthalt im April 2016 und unter dem 20.06.2016 einen Betrag in Höhe von 16.126,91 Euro für den Aufenthalt im Mai/Juni 2016 in Rechnung. Die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme für die Implantation von 10 Spiralen aufgrund bislang unklaren Schadenspotentials außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen werden könne. Es habe vielmehr eine Abrechnung nach der DRG E65B zu erfolgen, so dass sich für den stationären Aufenthalt des Versicherten im Mai/Juni eine Vergütung in Höhe von 3.095,74 Euro ergebe (Stellungnahme vom 30.09.2016). Diesen Betrag zahlte die Beklagte und verweigerte die Begleichung weiterer Kosten der stationären Behandlung des Versicherten.

Die Klägerin hat am 31.05.2017 Klage vor dem Sozialgericht Aachen erhoben, mit der sie die Zahlung von 28.257,18 Euro (15.226,01 Euro plus 16.126,91 Euro minus 3.095,74 Euro) begehrt hat.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Coil-Implantationen medizinisch indiziert und notwendig gewesen seien. Sie seien leitliniengerecht g...

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