Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Steuerrückerstattung. Einkommen im angemessenen Verteilzeitraum und Folgebewilligungszeitraum. keine Berücksichtigung von Schulden oder vorzeitigem Verbrauch

 

Orientierungssatz

1. Die Wirkung der rechtlichen Zuordnung einer nach Antragstellung zugeflossenen Steuerrückerstattung zum zu berücksichtigenden Einkommen gem § 11 Abs 1 SGB 2 endet nicht mit dem Zuflussmonat, sondern erstreckt sich über den gesamten angemessenen Verteilzeitraum (hier 12 Monate) (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R, vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 und vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 16).

2. Der Einkommensberücksichtigung kann die Verwendung zur Schuldentilgung bzw ein vorzeitiger Verbrauch der Einnahme nicht entgegengehalten werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.11.2012; Aktenzeichen B 14 AS 33/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.09.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des den Klägern zu gewährenden Arbeitslosengeldes II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum von September 2009 bis Februar 2010. Konkret ist umstritten, ob der Beklagte berechtigt war, eine im vorigen Leistungszeitraum an die Kläger ausgezahlte Steuerrückerstattung anzurechnen.

Die miteinander verheirateten, 1965 und 1970 geborenen Kläger zu 1) und 2) sowie deren im März 1994, im Juli 2000 und im August 2008 geborenen Kinder, die Kläger zu 3) bis 5) beziehen vom Beklagten seit März 2009 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheiden vom 02.03.2009 und 06.06.2009 wurden ihnen Leistungen für den Zeitraum März bis August 2009 bewilligt (zuletzt im Monat August 2009 1.477,24 Euro).

Am 21.04.2009 ging auf dem Konto des Klägers zu 1) eine Einkommenssteuerrückerstattung in Höhe von 8.875,20 Euro ein. Die Kläger nutzten den Erstattungsbetrag nach ihren Angaben noch im Monat April zur Rückzahlung eines Darlehens bei dem Schwager des Klägers zu 1), das sie bei diesem vor Leistungsbeginn zum Zwecke der Finanzierung ihres Eigenheims aufgenommen hatten.

Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 21.08.2009, dem diese u.a. den Kontoauszug beifügten, aus dem sich der Eingang der Einkommenssteuerrückerstattung ergab, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24.08.2009 Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2009 bis 28.02.2010. Dabei rechnete er die Steuerrückerstattung als Einkommen des Klägers zu 1) mit einem Betrag von monatlich 739,60 Euro an. Die Anrechnung erfolge ab Mai 2009, wobei sich die Höhe der Anrechnung aus einer Verteilung des Gesamtbetrages auf 12 Monate ergebe. Hiergegen erhob der Kläger zu 1) am 14.09.2009 Widerspruch und machte geltend, dass er die Steuererstattung zur Tilgung von Schulden seines Eigenheims verwendet habe und über dieses Geld nicht mehr verfüge. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2009 zurück. Einer bedarfsmindernden Berücksichtigung der Steuererstattung stehe nicht entgegen, dass die Einnahme (gleich nach Erhalt) zur Schuldentilgung verwendet worden sei.

Der Kläger zu 1) hat am 02.12.2009, die übrigen Kläger haben am 07.12.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und begehrt, ihnen Leistungen ohne Anrechnung der Steuerrückerstattung zu gewähren. Der Betrag sei wegen der Schuldentilgung verbraucht gewesen.

Am 20.01.2010 hat der Beklagte einen Änderungsbescheid über den streitigen Zeitraum erlassen und an die Kläger gezahltes weiteres Kindergeld berücksichtigt.

Das SG hat die Klage, mit der die Kläger beantragt haben, den Bescheid des Beklagten vom 24.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2009 abzuändern und ihnen für den Zeitraum September 2009 bis Februar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung der Steuerrückerstattung vom 21.04.2009 als Einkommen zu gewähren, mit Urteil vom 09.09.2010 abgewiesen. Die Steuerrückerstattung sei grundsätzlich Einkommen im Sinn von § 11 Abs. 1 SGB II, da es sich um Einnahmen nach Beginn des Leistungsbezuges gehandelt habe. Der bedarfsmindernden Berücksichtigung stehe nicht entgegen, dass die Kläger die Steuererstattung zur Schuldentilgung verwendet hätten. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden seien nicht vom Einkommen abzusetzen. Abgesehen davon, dass § 2 Abs. 3 S. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in Verbindung mit § 11 Abs. 2 SGB II abschließend regele, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen seien, bevor es der Aufteilung unterfalle, sei Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetz...

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