Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarztrecht. Streitwertbestimmung für ein Verfahren auf Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung. Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses. Faktoren für die Schätzung zur Erhöhung des Auffangstreitwertes. Ersetzung der Begründung über eine Streitwertbeschwerde durch Hinweis auf Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Streitwert für die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung ist grundsätzlich anhand des wirtschaftlichen Interesses des Vertragsarztes durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum zu erzielenden Einnahmen zu bestimmen.

2. Lässt sich dieses wirtschaftliche Interesse aufgrund von Unklarheiten nicht näher bestimmen, ist von dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG auszugehen, der im Wege der Schätzung angemessen zu erhöhen ist. Maßgebende Faktoren für die Schätzung sind dabei grundsätzlich das in der Zweigpraxis angebotene Zeitkontingent sowie Art und Umfang der zur Verfügung gestellten Leistungen.

3. Unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Sprechstundenzeit in der Zweigpraxis von sieben Stunden und der dort angebotenen Leistungen (augenärztliche Sprechstunde) ist im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 60.000,00 € (5.000 € je Quartal x 12 Quartale) angemessen.

4. Unter Berücksichtigung des Kostenrisikos in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG ist für den einstweiligen Rechtsschutz ein im Vergleich zum Hauptsacheverfahren niedrigerer Streitwert zu bestimmen. Es wird als sachgerecht angesehen, der Streitwertbestimmung das wirtschaftliche Interesse bezogen auf ein Jahr (vier Quartale) zugrunde zu legen.

5. Die Begründung der Beschwerdeentscheidung kann nicht durch einen Hinweis auf den sogenannten "Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit" ersetzt werden. Denn die für den Streitwertkatalogs verantwortlichen Präsidenten/-innen der Landessozialgerichte sind aus Rechtsgründen nicht befugt, den Spruchkörpern "Empfehlungen" zu geben. Der Streitwertkatalog hat somit lediglich informatorischen Charakter.

 

Tenor

1. Der Streitwert für das Verfahren L 11 B 16/09 KA ER wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beigeladenen zu 1) und 2) je zur Hälfte als Gesamtschuldner.

 

Gründe

I.

Gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) ist der Streitwert in Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aufgrund richterlichem Ermessen nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen, soweit nichts anderes geregelt ist. Maßgeblich ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12.08.2009 - L 11 KA 102/08 KA - und 20.01.2010 - L 11 B 13/09 KR -).

1. Ausgehend vom Streitgegenstand (unbefristete Zweigpraxisgenehmigung) wird das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen zu 1) und 2) (im Folgenden: Beigeladene) grundsätzlich dadurch bestimmt, dass sie mittels eines defensiven prozessualen Vorgehens die den Antragstellern erteilte Zweigpraxisgenehmigung zu beseitigen versuchen. Das dem zugrundeliegende wirtschaftliche Interesse lässt sich nicht präzisieren (vgl. Senat, Beschluss vom 19.05.2009 - L 11 B 10/09 KA ER - zur defensiven Konkurrentenklage).

a) Soweit es den Streitwert für die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung anlangt, hat der Senat im Beschluss vom 14.06.2010 - L 11 B 14/09 KA ER - (vgl. auch Senat, Beschluss vom 17.12.2009 - L 11 B 7/09 KA -) ausgeführt:

Ausgehend vom Streitgegenstand (unbefristete Zweigpraxisgenehmigung) wird das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum zu erzielenden Einnahmen bestimmt. Ungeachtet dieses Ansatzes und unter Berücksichtigung der für den Sitz der Zweigpraxis angegebenen insgesamt achtstündigen Sprechstundenzeiten je Woche, lässt sich das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller schwerlich hinreichend präzise bestimmen. Anknüpfungspunkt könnte zwar das durch den Bescheid fixierte Zeitkontingent von acht Stunden in Relation zu dem in einer (fiktiven) 40-Stunden-Woche erzielbaren Umsatz einer durchschnittlichen HNO-ärztlichen Praxis sein. Dem steht jedoch entgegen, dass zwei dieser Parameter nicht annähernd verlässlich bestimmt werden können. So bleibt unklar, ob die Antragstellerin die Tätigkeit in der Zweigpraxis zusätzlich zu jener in ihrer Hauptpraxis ausüben will. Sollte dies zu bejahen sein, wäre das wirtschaftliche Interesse darauf gerichtet, den Umsatz in der Hauptpraxis zu perpetuieren und mittels des zusätzlichen Zeitkontingents von acht Stunden in der Zweigpraxis ein darüber hinaus gehendes Umsatzvolumen zu erarbeiten. Gleichermaßen denkbar ist, dass die Antragstellerin - aus welchen Gründen auch immer - den Tätigkeitsschwerpunkt zwar weiterhin in der Hauptpraxis hat, diesen indessen um ein Quantum von acht Stunden reduziert, um die bisherige individuelle Wochenarbeitszeit zu halten. Im Spektrum dieser Varianten sind eine Vielza...

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