Kurzarbeitergeld für deutsches Flugpersonal

Flug- und Kabinenbesatzungsmitglieder, die für eine international tätige Airline mit Betriebssitz außerhalb von Deutschland beschäftigt sind und von ihrer Heimatbasis (= Homebase) in Deutschland aus den Dienst antreten, sind nicht nur steuer- und sozialversicherungspflichtig in Deutschland, sondern erwerben in Deutschland auch einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Für Flugpersonal, das den Dienst von ihrer in Deutschland gelegenen Heimatbasis aus antritt, ist nach den europäischen Rechtsvorgaben deutsches Recht anwendbar. Das Konzept der Heimatbasis ist in der Luftfahrtbranche seit Jahrzehnten anerkannt und in Gebrauch. Europarechtlich wird die Heimatbasis als der vom Luftfahrtunternehmen benannte Ort definiert, wo das Besatzungsmitglied normalerweise seine Dienstzeit oder eine Abfolge von Dienstzeiten beginnt und beendet.

Deutsches Kurzarbeitergeld erfordert deutschen Firmensitz

Kurzarbeitergeld nach dem deutschen Arbeitsförderungsrecht erfordert einen Betriebssitz des Arbeitgebers in Deutschland. Dafür ist eine eigene institutionelle Leitung erforderlich. An diesem Ort muss der Arbeitgeber daher den Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich wahrnehmen. Da regelmäßig am Ort der Heimatbasis keine Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Mitbestimmung ausgeübt werden, wird die Heimatbasis von der Bundesagentur für Arbeit nach deutschem Recht nicht als Betriebssitz einer Airline anerkannt. Die Agenturen für Arbeit haben daher mit Beginn der Corona-Pandemie mehreren in Deutschland tätigen Fluglinien mit ausländischem Firmensitz ihre Anträge auf Kurzarbeitergeld für das in Deutschland beschäftigte Flugpersonal abgelehnt.

Die praktische Bedeutung

Kurzarbeitergeld für Flugpersonal, das in Deutschland steuer- und sozialabgabenpflichtig ist, hat erhebliche praktische Bedeutung. Die Vereinigung Cockpit hat mit diversen Luftfahrtkonzernen sogenannte Krisentarifverträge vereinbart, um die coronabedingten Folgen für das Flugpersonal abzufedern. Hierzu hat sich das Flugpersonal nicht nur zu beträchtlichem Gehaltsverzicht, sondern auch zu Kurzarbeit verpflichtet, um damit eine substantielle Beschäftigungsgarantie zu erreichen. Mit deutschem Flugpersonal arbeiten mehrere große Airlines (Malta Air, die österreichische Easyjet Europe oder auch die belgische Brüssel Airlines, die zur Eurowings-Gruppe gehört). In dem nun zugrundeliegenden Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ging es allein für Juni 2020 um Kurzarbeitergeld in Höhe von rund 1,3 Mio. EUR (zzgl. knapp 1 Mio. EUR pauschalierter Erstattung der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge). 

Kurzarbeitergeld: Einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem LSG NRW

Das LSG NRW hat nun in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zugunsten einer antragführenden Airline mit Auslandssitz den Anspruch auf Kurzarbeitergeld für deutsches Flugpersonal dem Grunde nach bejaht, weil es davon ausging, dass der enge arbeitsförderungsrechtliche Begriff des Betriebssitzes in diesem Falle weit ausgelegt bzw. die Leitung des Flugbetriebes und die Personalleitung, die am Auslandssitz erfolgt, in Deutschland fingiert werden muss. Das gefundene Ergebnis ist jedoch insoweit nur als vorläufig zu bezeichnen, da eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren noch aussteht und zu erwarten ist, dass diese Frage letztlich höchstrichterlich, gegebenenfalls auch durch den EuGH, entschieden werden muss.

Hinweis: LSG NRW, Beschluss v. 8.3.2021, L 9 AL 198/20 B ER.

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