Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz bei unzulässiger Werbung durch eine Krankenkasse. Sicherungsanordnung. Wiederholungsgefahr. Unterlassungserklärung. Beweisaufnahme. Feststellungsklage. Krankenkasse. Mitgliederwerbung. Wettbewerb

 

Orientierungssatz

1. Eine Krankenkasse kann von einer anderen Krankenkasse im Weg der leugnenden Feststellungklage die Unterlassung von Handlungen verlangen, welche vom gesetzlichen Auftrag der Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Dazu gehört der Anspruch des beeinträchtigten Trägers der Krankenversicherung auf Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen.

2. Wirbt eine Krankenkasse Mitglieder mit dem Versprechen, ihnen aus Anlass der Begründung der Mitgliedschaft Geld oder Geldsurrogate zukommen zu lassen, so ist ein solches Vorgehen vom gesetzlichen Auftrag der GKV nicht gedeckt.

3. Bei fraglicher Wiederholungsgefahr der werbenden Krankenkasse ist einstweiliger Rechtsschutz zu versagen, weil der betroffenen Kasse ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zumutbar ist.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 Sätze 1, 4; ZPO § 920 Abs. 2

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 7. April 2006 wird zurückgewiesen, nachdem das SG der Beschwerde nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 20.06.2006). Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird im Anschluß an die Entscheidung des SG auf 25.000.- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 7.4.2006 ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit dem 2.1.2002 anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 17.8.2001 (BGBl 2144) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Weder das Bestehen einer entsprechenden Rechtsposition noch die beschriebene Gefahr in Bezug auf eine Verwirklichung des behaupteten Rechts im Hauptsacheverfahren sind glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO)), d.h. "überwiegend" wahrscheinlich.

Im Anschluß an die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.1.1986 (8 RK 60/84 und 59/84 = SozR 1500 § 55 Nr 31) hat der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 22.3.1987 entschieden, daß Kassen bzw. Kassenverbände - soweit sie dadurch beschwert sind, und so die Gefahr der Wiederholung besteht - von anderen Kassen im Wege der leugnenden Feststellungsklage die Unterlassung von Handlungen verlangen können, die vom gesetzlichen Auftrage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht gedeckt sind, und daß insoweit kein Anlaß besteht, im öffentlichen Recht hinter die Vorschriften des Wettbewerbsrechts des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zurückzugehen (L 16 Kr 25/86 LSG NW - dort: Verwendung von Vordrucken irreführenden Inhalts im Rahmen der Mitgliederwerbung). Zwar hat das BSG alsdann im Urteil vom 31.3.98 (B 1 KR 9/95 R = BSGE 82,78 = SozR 3-2500 § 4 Nr 1) betont, es stehe nicht die Marktposition der einzelnen Kasse oder Kassenart und die Abwehr dagegen gerichteter Angriffe konkurrierender Kassen im Vordergrund, sondern die Funktionsfähigkeit des Systems als Ganzes; das BSG hat dann aber aaO gleichwohl (obiter dictum) anerkannt, daß sich ein Anspruch des beeinträchtigten Trägers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben könne, würden bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet (Hinw. auf BSG SozR 1500 § 55 Nr 31 S 31; BSGE 63, 144, 145 f = SozR 2200 § 517 Nr 11 S 30 f; GmS-OGB BGHZ 108, 284, 288 = SozR 1500 § 51 Nr 53 S 110). Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat bereits angeschlossen (Urt.v. 13.2.2001 L 16 KR 57/01 LSG NW) und daran hält er fest. Es könnte allerdings erörtert werden, ob für solcher Art Unterlassungsklagen noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, nachdem die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 19.3.1998 idF vom 20.10.2000 zur Konfliktlösung Schiedsvereinbarungen und die Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörden vorsehen.

Würde die Antragsgegnerin, wie die Antragstellerin dies behauptet, Mitglieder mit dem Versprechen werben, ihnen aus Anlaß der Begründung der Mitgliedschaft Geld oder Geldsurrogate zukommen zu lassen, wäre dies zweifellos ein Vorgehen, das vom gesetzlichen Auftrag der GKV nicht gedeckt wäre. Soweit der Gesetzgeber behauptet, Wettbewerb unter den Kassen eingeführt zu haben, so zielt dieser im wesentlichen auf eine Verbesserung der Infrastruktur der Kassen, keinesfalls aber auf die Ausgabe von Mitteln über ihre gesetzliche Bindung hinaus (§§ 259 ff SGB V). Die ant...

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