Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung bestimmter Werbemethoden bei Meidung eines Ordnungsgeldes

 

Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung bestimmter Werbemethoden bei Meidung eines Ordnungsgeldes verlangen kann.

Ein Mitarbeiter der beklagten Barmer Ersatzkasse (BEK) zeigte bei einem Werbegespräch am 2. Februar 1984 einer Auszubildenden eine Liste mit Namen von Beschäftigten ihres zukünftigen Ausbildungsbetriebes, die Mitglied der Beklagten waren. Dazu erklärte der Mitarbeiter, daß der zukünftige Arbeitgeber und Ausbilder selbst Mitglied der BEK sei und es demzufolge gern sehen würde, daß seine Angestellten ebenfalls bei der BEK versichert wären. Nachdem die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert hatte, erklärte diese mit Schreiben vom 5. März 1984, sie billige die von der Klägerin dargestellte Handlungsweise des Mitarbeiters nicht. Weiter schrieb die Beklagte: "Unsere Mitarbeiter werden deshalb auch nicht ausführen, daß es ein Arbeitgeber gern sehe, wenn ein Berufsanfänger Mitglied der Barmer Ersatzkasse würde und daß in der AOK nur Arbeiter und keine Angestellten versichert seien." Die Klägerin erhob Klage mit dem Antrag,

"die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung einer vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzende Geldstrafe bis zu 500.000,-- DM oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten es im Bezirk der Klägerin zu unterlassen, Personen, die sich für eine Versicherung bei der Beklagten interessieren, darauf hinzuweisen, daß ihr gegenwärtiger oder künftiger Arbeitgeber ebenfalls bei der Beklagten versichert ist.

Hilfsweise:

1.

Es zu unterlassen, Personen, die sich für eine Versicherung bei der Beklagten interessieren, darauf hinzuweisen, daß ihr gegenwärtiger oder künftiger Arbeitgeber ebenfalls bei der Beklagten versichert ist und dabei wörtlich oder sinngemäß zu äußern, der Arbeitgeber werde es wahrscheinlich gerne sehen, wenn auch seine Arbeitnehmer bei der Beklagten versichert seien.

2.

Es zu unterlassen, Personen, die sich für eine Versicherung bei der Beklagten interessieren, darauf hinzuweisen, daß ihr gegenwärtiger oder künftiger Arbeitgeber ebenfalls bei der Beklagten versichert ist, sofern der Arbeitgeber nicht in die Offenbarung seiner bei der Beklagten bestehenden Mitgliedschaft eingewilligt hat."

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen und legte zum Hilfsantrag zu 1. dar, sie habe bereits vorprozessual zu verstehen gegeben, daß ihre Mitarbeiter die Formulierung, ein Arbeitgeber würde es gern sehen, wenn ein Berufsanfänger Mitglied der BEK würde, künftig nicht mehr verwenden würden. Für den Fall, daß das Gericht den Klageantrag für zulässig halte, erkläre sie sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, dem Hilfsantrag zu 2. zu entsprechen; d.h. sie werde es unterlassen, Personen, die sich für eine Versicherung bei der BEK interessieren, darauf hinzuweisen, daß ihr gegenwärtiger oder künftiger Arbeitgeber ebenfalls, bei der Beklagten versichert sei, sofern der Arbeitgeber nicht in die Offenbarung seiner bei der Beklagten bestehenden Mitgliedschaft eingewilligt habe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gestellten Antrag bei Meidung einer vom Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Strafe verurteilt, es im Bezirk der Klägerin zu unterlassen, Personen, die sich für eine Versicherung bei der Beklagten interessieren, darauf hinzuweisen, daß der gegenwärtige oder zukünftige Arbeitgeber ebenfalls bei der Beklagten versichert ist. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Gründen hat das LSG ausgeführt, die Klage sei unzulässig, denn es fehle an der Beschwer. Im Hinblick auf die besonderen Beziehungen öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger untereinander genüge es zur Darlegung der Beschwer nicht, eine abstrakte, bloß denkbare Gefahr der Wiederholung vorzutragen. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sozialleistungsträger gegen einen anderen Sozialleistungsträger auf Unterlassung klage, müsse er die ernstliche und nachhaltige Behinderung in der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben darlegen. Daran fehle es hier. Die Beklagte habe im Schreiben vom 5. März 1984 klar zum Ausdruck gebracht, sie werde dafür Sorge tragen, daß ihre Mitarbeiter nicht näher ausführen werden, daß es ein Arbeitgeber gern sehe, wenn ein Berufsanfänger Mitglied der BEK werden würde.

Die Klägerin macht mit der Revision geltend, ihr Hauptantrag gehe über den Inhalt der von der Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung hinaus.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. August 1986 - L 8 Kr 783/85 - aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. Mai 1985 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

Die Klage ist zulässig. Mehrfach hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß für Streitigkeiten zwischen öffentlich-rechtlichen Krankenkassen aus der Mitgliederwerbung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (BSG SozR 1500 § 55 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - Nr. 31 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen anderen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auf Unterlassung bestimmter Maßnahmen der Mitgliederwerbung stützt sich auf die besondere öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten und richtet sich auf die Unterlassung einer Amtshandlung. Für die öffentlich-rechtliche Beziehung bedarf es keiner ausdrücklich geregelten Anspruchsnorm (vgl. zum sog. Folgenbeseitigungsanspruch BSG SozR 7610 § 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - Nr. 5 m.w.N.).

Der öffentlich-rechtliche Anspruch einer Krankenkasse gegen eine andere auf Unterlassung unzulässiger Maßnahmen der Mitgliederwerbung ergibt sich in ausreichender Weise aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Den einzelnen Kassen sind gesetzlich bestimmte Personenkreise zugewiesen, die sie als Mitglieder aufnehmen dürfen oder müssen. Die Personenkreise überschneiden sich aber. Insbesondere sind den Ersatzkassen keine Mitglieder zugewiesen. Dagegen sind Versicherungspflichtige, die weder in die Bundesknappschaft oder die Seekrankenkasse noch in eine besondere Orts- oder eine Betriebs- oder Innungskrankenkasse gehören, Mitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse ihres Beschäftigungsortes (§ 234 Reichsversicherungsordnung -RVO-). Die beklagte BEK darf Versicherungspflichtige, die nach dieser Bestimmung Mitglied der Klägerin sind, aufnehmen, wenn sie in dem Bezirk wohnen und dem Mitgliederkreis angehören, für den die Beklagte als Ersatzkasse zugelassen ist (§ 4 Abs. 1 der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1935 RGBl. I 1537-) Solche Mitglieder der Beklagten haben dann das Recht auf Befreiung von der Mitgliedschaft bei der Klägerin (§ 517 RVO). Daraus erwachsen öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten. Beide unterliegen bei der Werbung von Mitgliedern, bei ihrer Aufnahme und bei deren Abwicklung untereinander öffentlich-rechtlichen Vorschriften und sind zur engen Zusammenarbeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 86 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet.

Die Mitgliederwerbung der gesetzlichen Krankenkassen wird durch öffentlich-rechtliche Regeln bestimmt, die auch die Rechtsbeziehung der Kassen untereinander prägen. Die Regeln ergeben sich aus der Eigenschaft der Kassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, mit der die Formen ihrer Werbung vereinbar sein müssen. Auf diesen Grundsatz nehmen die Richtlinien des Reichsarbeitsministers vom 10. April 1937 (AN IV, 158) mit ihren ins einzelne gehenden Bestimmungen zur Werbung ausdrücklich Bezug. Die Bedeutung der Richtlinien liegt darin, daß ein Verstoß gegen sie zum Widerruf der Zulassung der Ersatzkasse führt (§ 516 Abs. 2 RVO). Damit kommt allgemein die Bedeutung einer Werbung der Krankenkassen in unzulässiger Form zum Ausdruck. Wenn den Ersatzkassen auch das Recht zur Mitgliederwerbung zugesprochen wird, so haben sie doch stets auch ihre Pflichten zur Aufklärung, Beratung und Auskunft (§§ 13, 14, 15 des SGB - Allgemeiner Teil - SGB I -) zu beachten, so daß auch bei der Werbung die Information im Vordergrund steht (vgl. Bundesversicherungsamt in DOK 1972, 851 f.).

Für die von der Klägerin erhobene Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG fehlt es nicht an der auch bei dieser Klageart erforderlichen Beschwer (vgl. BSG SozR 1500 § 54 SGG Nr. 67). Nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin erscheint eine Verletzung ihrer Rechte möglich. Sie begehrt sinngemäß Verurteilung der Beklagten, bei Meidung eines Ordnungsgeldes Hinweise an potentielle Mitglieder zu unterlassen, daß ihr gegenwärtiger oder zukünftiger Arbeitgeber bei der Beklagten versichert sei. Dagegen hat die Beklagte nur den Anspruch auf Unterlassung von Erklärungen zugestanden, daß es ein Arbeitgeber gern sehe, wenn ein Berufsanfänger Mitglied der BEK werden würde. Sie tritt der Androhung von Ordnungsgeld entgegen. Mit Recht macht die Klägerin geltend, die Erklärung der Beklagten entspreche nicht ihrem Klageantrag. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Äußerungen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Erörterungstermin vor dem LSG am 27. November 1985. In diesem Termin hatte die Beklagte im Rahmen eines Prozeßvergleichs erklärt, Handlungsweisen, die darauf abzielten, die Autoritäten Dritter zur Mitgliederwerbung in Beratungsgesprächen oder in anderen Werbeunterlagen einzuführen, würden von ihr mißbilligt; sie werde auf ihre Mitarbeiter in geeigneter Art und Weise dergestalt einwirken, daß diese nicht mehr ausführen, ein Arbeitgeber sehe es gern, wenn ein Berufsanfänger Mitglied der BEK würde, und in der AOK seien nur Arbeiter und keine Angestellten versichert. Über diese Maßnahme werde sie die Klägerin unterrichten. Daraufhin hatte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin erklärt, diese Erklärung der Beklagten entspreche dem Klagebegehren. Die Äußerung des Prozeßbevollmächtigten beinhaltet indessen keine Klageänderung. Zwar weicht die Formulierung des ersten Satzes der Beklagtenerklärung vom Hauptantrag der Klägerin ab. Die Klägerin hat sich dazu aber nur im Rahmen eines Vergleichs geäußert. In diesem Zusammenhang kommt der Wille einer Änderung der Klage zumindest nicht eindeutig zum Ausdruck. Als Prozeßerklärung ist die Äußerung durch den - im Vergleich vorbehaltenen - Widerruf beseitigt worden. Auch kann sie nicht die Auslegung des Klageantrags bestimmen, da dieser nach seinem Wortlaut eindeutig ist.

Es fehlt ferner nicht an der besonderen Voraussetzung für vorbeugende Unterlassungsklagen gegen drohende Amtshandlungen, daß ein den Kläger widerrechtlich treffendes Vorgehen der Behörde ernstlich zu befürchten ist (BSGE 45, 109 = SozR 1500 § 51 SGG Nr. 13). Durch ihr Verhalten im Prozeß hat die Beklagte zu erkennen gegeben, daß sie den Hinweis auf die Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei ihr als rechtmäßig ansieht. Sie hat sich insbesondere mit der Berufung nicht etwa nur gegen die Strafandrohung gewendet, sondern auch dagegen, daß ihr überhaupt durch das Urteil des SG die Werbung mit der Mitgliedschaft des Arbeitgebers untersagt worden ist. An ihre Erklärung im - später widerrufenen - Vergleich ist sie nicht gebunden, so daß eine Wiederholung der vom SG untersagten Werbemethode ernstlich zu befürchten ist. Es handelt sich entgegen der Meinung des LSG nicht um eine abstrakte, bloß denkbare Gefahr.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG ist nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, daß sie bei der Mitgliederwerbung den Hinweis auf die Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei ihr unterläßt. Diese Form der Werbung ist mit der Eigenschaft der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts und als Träger der sozialen Krankenversicherung nicht vereinbar. Mit dem Hinweis wird zwar kein Druck ausgeübt und nicht angedeutet, der Arbeitgeber würde den Beitritt in die Kasse gern sehen. Diese Form der Werbung sehen die Beteiligten übereinstimmend mit Recht als unzulässig an. Die Beklagte hat aber als Träger der sozialen Krankenversicherung bei der Mitgliederwerbung stets auch ihre Pflichten aus §§ 13 bis 15 SGB I zu beachten, insbesondere die Pflicht zur Beratung über die Rechte und Pflichten nach dem SGB einschließlich der RVO. Ihrer Eigenschaft als Träger der sozialen Krankenversicherung widerspricht deshalb jeder Hinweis, der, sei es auch nur durch Unvollständigkeit, die umworbene Person irreführen oder die Wahl der Kasse unsachgemäß beeinflussen könnte. Der Hinweis auf die Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei der Beklagten ist für den Arbeitnehmer irreführend; er ist geeignet, den Arbeitnehmer in seiner Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen und in seiner Wahl der Krankenkasse unsachlich zu beeinflussen. Wenn auch kein Druck ausgeübt wird, so ist der Hinweis doch so zu verstehen, daß der Arbeitgeber mit dem Erwerb und der Fortsetzung der Mitgliedschaft bei der Beklagten eine Wahl getroffen hat, die sich auch für den umworbenen Arbeitnehmer empfiehlt. Indessen trifft diese dem Arbeitnehmer nahegelegte Meinung typischerweise nicht zu. Die Folgerung von der Kassenwahl des Arbeitgebers auf diejenige des Arbeitnehmers wäre nur dann naheliegend, wenn für beide annähernd gleiche Voraussetzungen und Bedingungen gelten würden. Das ist aber regelmäßig nicht der Fall.

Für eine sachgemäße Kassenwahl des Arbeitnehmers ist - jedenfalls im Bezirk der Klägerin - eine andere Rechtslage bestimmend als für diejenige des Arbeitgebers. Wenn der Arbeitgeber gute Gründe für die Wahl der Beklagten und die Fortsetzung der Mitgliedschaft bei ihr hat, kann für den Arbeitnehmer aufgrund der Rechtslage eine andere Kasse günstiger sein.

Der Beitritt des Arbeitgebers zur Beklagten oder die Fortsetzung der Mitgliedschaft bei ihr kann durch ihre besonderen und von anderen Kassen abweichenden Bedingungen für Versicherungsberechtigte im Beitrags- und im Leistungsrecht beeinflußt sein. Dazu sind die Versicherungsbedingungen der Beklagten in erster Linie mit der Satzung der Klägerin zu vergleichen. Beiträge sind in Hundertsteln des Grundlohns (Beitragssatz) zu erheben (§ 385 Abs. 1 Satz 1 RVO). In der Satzung der Klägerin ist ein allgemeiner Beitragssatz geregelt, daneben ein erhöhter Satz für Versicherte, die bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Fortzahlung eines Arbeitsentgelts für mindestens sechs Wochen haben, und ein ermäßigter Beitragssatz für freiwillig Versicherte ohne Anspruch auf Krankengeld. Der freiwillig Versicherte kann, wenn er im Fall der Arbeitsunfähigkeit sein Einkommen ganz oder überwiegend verliert, die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld vom Beginn der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an beantragen und zahlt dann den allgemeinen Beitragssatz. Dagegen hat ein Arbeitgeber, der die Mitgliedschaft bei der beklagte BEK wählt oder sie aufrechterhält, andere Möglichkeiten der Gestaltung des Versicherungsverhältnisses. Versicherungsberechtigte Selbständige und Angehörige freier Berufe zahlen nach § 9 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 6 der Versicherungsbedingungen der Beklagten Beiträge nach in Indexzahlen festgelegten Vomhundertsätzen der jeweiligen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung. Eine Besonderheit der Bedingungen für solche Mitglieder bei der Beklagten gegenüber versicherungsberechtigten Selbständigen, die Mitglied der Klägerin sind, ergibt sich aus den Möglichkeiten nach § 7 Abs. 7 der Versicherungsbedingungen. Danach können versicherungsberechtigte Selbständige und Angehörige freier Berufe zwischen drei Beitragsklassen wählen, nämlich Klasse 601 ohne Anspruch auf Krankengeld, Klasse 611 mit Anspruch auf Krankengeld und Klasse 621 mit Anspruch auf höheres Krankengeld. Für die Beiträge nach Klasse 601 gilt die Indexzahl 94, für Beiträge nach Klasse 611 die Indexzahl 110, 3 und für Beiträge der Klasse 621 die Indexzahl 113, 3 (§ 9 Abs. 10 der Versicherungsbedingungen). Das Krankengeld für versicherungsberechtigte Mitglieder beträgt in der Klasse 611 80% und in der Klasse 621 94,4% des bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Höchstgrundlohns (§ 180 Abs. 1 RVO). Es wird Mitgliedern der Beitragsklassen 611 und 621 vom 22. Tage der Arbeitsunfähigkeit an gezahlt (§ 15 Abs. 12 Satz 2 der Versicherungsbedingungen). Im Unterschied zur Versicherung bei der Klägerin kann der Arbeitgeber bei der Beklagten die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld wählen, auch wenn er bei Arbeitsunfähigkeit keinen Einkommensverlust hat; er kann das erhöhte Krankengeld wählen, das es bei der Klägerin nicht gibt; den Anspruch auf Krankengeld hat er nicht erst ab Beginn der siebten, sondern ab Beginn der vierten Woche der Arbeitsunfähigkeit.

Das Aufrechterhalten der Versicherung des Arbeitgebers bei der Beklagten und das Absehen von einem Kassenwechsel kann ferner dadurch bestimmt sein, daß eine Erkrankung, die beim Beitritt zu der anderen Kasse bereits besteht, für diese Krankheit keinen Anspruch auf Kassenleistungen begründet (§ 310 Abs. 2 RVO); eine Pflicht der neuen Kasse zur Übernahme der weiteren Leistung an Versicherte, die Leistungen beziehen (§ 212 RVO) gilt nicht, wenn der Versicherte bisher freiwilliges Mitglied der Ersatzkasse war (vgl. § 523 RVO).

Die Kassenwahl des Arbeitgebers kann schließlich auch durch die Bestimmung des § 12 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen der Beklagten bestimmt sein. Danach kann die Beklagte versicherungsberechtigten Mitgliedern, deren Gesamteinkommen die jeweilige Krankenversicherungspflichtgrenze übersteigt, für privatärztliche Leistungen Kosten in der Höhe erstatten, wie sie bei kostenfreier Inanspruchnahme eines Vertragsarztes entstanden wären, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen Aufwendungen. Die Kassen nach § 225 RVO sind zwar nach Auffassung des Senats rechtlich nicht gehindert, in der Satzung ebenfalls für bestimmte freiwillig versicherte Mitglieder eine Kostenerstattung vorzusehen (BSG SozR 2200 § 182 RVO Nr. 74). In der Satzung der Klägerin ist keine Kostenerstattung vorgesehen.

Die dargestellten besonderen Bedingungen eines Beitritts zur Beklagten gelten nicht für versicherungspflichtige Arbeitnehmer. Deshalb ist die Werbung mit der Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei der Beklagten irreführend und geeignet, die Wahl des Arbeitnehmers sachwidrig zu beeinflussen.

Die Werbung mit der Mitgliedschaft des Arbeitgebers ist schon aus diesem Grund nicht mit der Eigenschaft der Beklagten als Trägerin der sozialen Krankenversicherung vereinbar und der Unterlassungsanspruch der Klägerin schon deshalb begründet. Zur Entscheidung über den Klageanspruch bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob er auch wegen einer nach § 35 SGB I i.V.m. § 67 SGB X unbefugten Offenbarung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers gegeben wäre.

Antragsgemäß war neben der Verurteilung für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen. Zwar mag zu einer "entsprechenden" Androhung (§ 890 Abs. 2 ZPO) die Angabe des Höchstmaßes des Ordnungsgelds gehören (Baumbach Zivilprozeßordnung, Kommentar, 45. Aufl., § 890 Anm. 5c). Der Antrag der Klägerin ohne diese Angabe ist indessen nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen. Die Klägerin hat nämlich ihren ursprünglich mit der Angabe des Höchstmaßes gestellten Antrag erst nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eingeschränkt.

Die Androhung von Ordnungsgeld in einem Urteil, das den Schuldner verpflichtet, eine Handlung zu unterlassen, ist in § 198 SGG i.V.m. § 890 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vorgesehen. Die Bestimmung ist auch für die Vollstreckung gegen bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Beklagte anzuwenden. Weder nach den Vorschriften des SGG im Unterabschnitt Vollstreckung (§§ 198 bis 201) noch nach dem 8. Buch der ZPO ist die Anwendung des § 890 ZPO bei der Vollstreckung gegen Behörden ausgeschlossen. Sie ist auch anwendbar, wenn die Behörde zur Unterlassung einer Amtshandlung verurteilt worden ist. Die Grundregel des § 198 SGG gilt uneingeschränkt für die Vollstreckung aus sozialgerichtlichen Urteilen. Besonders geregelt werden lediglich in § 200 SGG die Vollstreckung zugunsten der Behörde und in § 201 SGG die Vollstreckung von Verpflichtungsurteilen. Die Bestimmung des § 201 SGG gilt nur für Verpflichtungsurteile i.S. des § 131 SGG, d.h. für Urteile, die sich auf den Erlaß oder die Unterlassung eines Verwaltungsaktes richten.

Der Revision ist aus allen diesen Gründen stattzugeben. Kosten sind nicht zu erstatten (§193 Abs. 4 SGG).

 

Fundstellen

BSGE, 144

NJW 1989, 796

AusR 1990, 23

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