Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit des Wechsels in eine abschlagsfreie Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters. Grundsicherung für Arbeitsuchende. verweigerte Zustimmung des Jobcenters zur Antragsrücknahme bei nach Aufforderung durch das Jobcenter gestellten Anträgen auf eine vorzeitige und insofern mit Abschlägen behaftete Altersrente

 

Orientierungssatz

1. Die vom BSG zu § 51 Abs 1 S 1 SGB 5 angestellten Erwägungen sind von der Rechtsprechung auf das einer Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter eingeräumte Recht zur Aufforderung eines Versicherten zur Stellung eines Rehabilitations- oder Rentenantrags übertragen worden (vgl LSG Halle vom 1.3.2016 - L 5 AS 25/16 B ER = juris RdNr 56 sowie LSG Chemnitz vom 17.10.2019 - L 3 AS 330/17).

2. Eine Antragstellung auf eine vorzeitige Altersrente, zu der ein Jobcenter aufgefordert hatte, kann daher nicht zurückgenommen werden, wenn das Jobcenter die Zustimmung zur Antragsrücknahme ablehnt.

3. Eine Eingliederungsvereinbarung steht dem Recht des Jobcenters, zur Antragstellung auf vorzeitige Altersrente aufzufordern, nicht entgegen (vgl LSG Halle vom 22.7.2020 - L 4 AS 647/18 = juris RdNr 67) und ändert daher auch nichts daran, dass der Rentenantragsteller zur Rücknahme des Antrags auf Altersrente der Zustimmung des Jobcenters bedarf, ihm mithin nach Verweigerung dieser Zustimmung eine Antragsrücknahme verwehrt ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.05.2022; Aktenzeichen B 5 R 11/22 BH)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.04.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die 1950 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens den Wechsel der ihr mit einem Abschlag gewährten Altersrente für Frauen in eine abschlagsfreie Altersrente.

Nach durchgeführter Kontenklärung erteilte die Beklagte der Klägerin am 24.07.2007 einen Vormerkungsbescheid und eine Rentenauskunft. In der Folgezeit erhielt die Klägerin weitere Rentenauskünfte vom 29.02.2008 und 01.07.2011 sowie auf ihre Anforderung hin zuletzt vom 29.10.2012. In diesen Rentenauskünften informierte die Beklagte die Klägerin jeweils insbesondere darüber, welche Altersrentenarten sie ab welchem Zeitpunkt mit bzw. ohne Abschlag beziehen kann, soweit sie deren Voraussetzungen erfüllt. Konkret informierte die Beklagte die Klägerin dabei insbesondere über den möglichen Bezug folgender Altersrenten: Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Abschlag ab März 2010 und ohne Abschlag ab März 2013, Altersrente für Frauen sowie Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit mit Abschlag ab März 2010 und ohne Abschlag ab März 2015, Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlag ab März 2013 und ohne Abschlag ab Juli 2015 und Regelaltersrente ab Juli 2015.

Mit Schreiben vom 24.10.2012 forderte das Jobcenter des Kreises A die Klägerin als Bezieherin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) auf, Altersrente zu beantragen, weil sie nach § 12a SGB II verpflichtet sei, einen Antrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine ungeminderte Altersrente (d.h. ohne Abschläge) beziehen könne. Mit Schreiben vom 07.11.2012 teilte das Jobcenter des Kreises A der Klägerin mit, nach den dort vorliegenden Unterlagen könne sie einen Anspruch auf geminderte Altersrente ab dem 01.03.2013 haben; sie sei verpflichtet, einen Antrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine geminderte Altersrente (d.h. mit Abschlägen) beziehen könne und das 63. Lebensjahr vollendet habe; sie werde daher nach § 12a SGB II aufgefordert, umgehend Altersrente zu beantragen.

Am 06.12.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für Frauen nach § 237a Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) als Vollrente mit einem Rentenbeginn am 01.03.2013. Hierbei gab sie im Formantrag auf die formularmäßig gestellten Fragen insbesondere zur Prüfung der Vertrauensschutzregelungen verschiedener Altersrentenarten u.a. an, sie habe bereits ein Kontenklärungsverfahren durchlaufen; sie sei 2004 bei der Agentur für Arbeit (AfA) arbeitslos gemeldet gewesen und beziehe seit 2005 Leistungen der AfA bzw. des Jobcenters; die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft habe sie nicht beantragt und bis zum 16.11.2000 sei keine Schwerbehinderung/Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden. Unter Bemerkungen ist festgehalten, dass nach dem Willen der Versicherten folgendes vermerkt werden soll: "Ich stelle den Antrag unter Vorbehalt". Bei den Erklärungen der Antragstellerin heißt es u.a.: "Mir ist bekannt, dass ich einen Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen auch dann stellen kann, wenn die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zwar beantragt, aber noch nicht abgeschlossen ist. Der Nachweis über die Schwerbehinderteneige...

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