Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ausschluss der Familienversicherung. fehlende Mitgliedschaft des Ehegatten/Lebenspartners. Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze durch das Gesamteinkommen. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 10 Abs 3 SGB 5 verstößt auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) am 1.4.2007 nicht gegen Art 3 GG.

2. Auch ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip liegt nicht vor.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 14.06.2011; Aktenzeichen 1 BvR 429/11)

BSG (Beschluss vom 06.01.2011; Aktenzeichen B 12 KR 50/10 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufnahme der Kläger zu 2. bis 5. in die Familienversicherung.

Die Klägerin zu 1. ist die Mutter 1992, 1994, 1997 und 1999 geborenen Kläger zu 2. bis 5. Sie ist seit 1992 bei der Beklagten versichert. Nach Ablegen der 2. Juristischen Staatsprüfung war die Klägerin zu 1. wegen unterschiedlicher Gehaltshöhen, Erziehungsurlaub, Sonderurlaub teilweise freiwillig, teilweise pflichtversichert. Seit 1. Januar 2007 ist sie bei der Beklagten pflichtversichert.

Der am 28. Juli 1958 geborene Ehemann der Klägerin ist als Rechtsanwalt selbstständig tätig und privat versichert. Die Kläger zu 2. bis 5. sind ebenfalls privat krankenversichert.

Die Klägerin zu 1. beantragte im Jahre 2007 die Gewährung von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes gemäß § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. März 2007 ab, da ein Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes nur besteht, wenn das zu pflegende Kind gesetzlich versichert ist. Nach den Unterlagen der Beklagten sei es jedoch privat krankenversichert. Hiergegen legte die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 10. März 2007 Widerspruch ein und beantragte die Bestätigung, dass ihre minderjährigen Kinder gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 SGB V bei der Beklagten familienversichert seien.

Mit Schreiben vom 21. Mai 2007 beantragte die Klägerin die Feststellung der Familienversicherung für ihre vier Kinder, die Kläger zu 2.-5. Die Beklagte lehnte mit Bescheiden vom 1. Juni 2007 und 13. Juni 2007 die Familienversicherung der Kläger zu 2. bis 5. ab. Die Voraussetzungen des § 10 SGB V seien nicht erfüllt. Kinder seien nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehepartner oder Lebenspartner des Mitglieds nicht selbst Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei, sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Krankenversicherung überschreite und regelmäßig höher sei als das des Mitglieds.

Den dagegen erhobenen Widerspruch begründeten die Kläger damit, dass die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 SGB V nach Erlass des GKV-WSG vom 23. März 2007 nicht mehr greifen könne, weil die 2,5 Milliarden Euro Steuergelder, die die Krankenkassen nach § 221 Abs. 1 Satz 1 SGB V ab 2007 jährlich steigend aus dem Bundeshaushalt bekämen, der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung ihrer Eltern dienten. Wenn die von der Klägerin zu 1. und ihrem Ehemann gezahlten Steuern darauf verwendet würden, die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder zu finanzieren, hätte sie einen Anspruch darauf, dass ihre Kinder in den Genuss der staatlichen Leistungen kämen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 SGB V verstoße gegen Art 3 und 6 Grundgesetz (GG).

Mit Schreiben vom 27. Juni 2007 bestätigte der Ehemann der Klägerin zu 1. der Beklagten, dass er nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei und dass sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahreseinkommensentgeltgrenze des SGB V übersteige und auch regelmäßig höher als das Gesamteinkommen seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1., sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2007 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass der Familienversicherung die Ausschlussregelung des § 10 Abs. 3 SGB V entgegen stehe. Diese Regelung gelte auch trotz des GKV-WSG ab dem 1. Juli 2007 weiterhin mit seinem bisherigen Inhalt, weil die Vorschrift nicht geändert worden sei. Auch die Zuweisung von Steuergeldern durch den Bund zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen ab dem Jahre 2007 gebe keinen Anlass, § 10 Abs. 3 SGB V nicht oder anders anzuwenden. Die in der Gesetzesbegründung als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe als beispielhaft genannte beitragsfreie Mitversicherung von Kindern sei nur ein Teilaspekt für die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 221 Abs. 1 SGB V. Aus der Gesetzesbegründung, die ja gerade auf die bestehenden gesetzlichen Vorschriften für die beitragsfreie Familienversicher...

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