Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. ärztliche Behandlung. kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Dolmetscher- und Übersetzungstätigkeiten

 

Orientierungssatz

1. Das SGB 5 enthält weder eine ausdrückliche Regelung über die Gestellung eines Sprachdolmetschers bei ärztlichen Untersuchungen noch ermächtigt das Gesetz, eine derartige Leistung durch Rechtsverordnung oder Satzung vorzusehen.

2. Aus dem Wortlaut des § 28 Abs 1 S 2 SGB 5 und dem Sinnzusammenhang mit der Regelung in § 28 Abs 1 S 1 SGB 5 ergibt sich, dass die Hilfeleistung anderer Personen eine Leistung sein muss, die der ärztlichen Berufsausübung zuzurechnen ist. Die Tätigkeit eines Sprachdolmetschers ist nicht Teil der ärztlichen Behandlung, weil der Arzt sie aufgrund seines ärztlichen Fachwissens weder leiten noch kontrollieren und somit auch nicht verantworten kann.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger die Kosten für Dolmetscher- und Übersetzertätigkeiten zu erstatten sind.

Am 11. November 2010 bevollmächtigte der bei der beklagten Krankenkasse (KK) gesetzlich krankenversicherte J. (geb. 1941 in Serbien; im Folgenden: Versicherter) den Kläger, ihn “in allen behördlichen Angelegenheiten, insbesondere beim Finanzamt, Ordnungsamt, Versorgungsamt und bei der Krankenkasse„ zu vertreten. Der Kläger führte im Zeitraum vom 11. November 2010 bis zum 5. Januar 2011 regelmäßig Dolmetscher- und Übersetzertätigkeiten für den Versicherten durch. Der Versicherte verstarb am 21. Januar 2011.

Unter dem 3. Dezember 2010 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten eine Entschädigung für seine Dolmetscher- und Übersetzertätigkeiten in der Zeit vom 11. November 2010 bis zum 3. Dezember 2010. Er rechnete 17 Tage à 3 Stunden zu 40,-- Euro zuzüglich Fahrkosten in Höhe von 76,90 Euro ab und verlangte insgesamt einen Betrag in Höhe von 2.116,90 Euro. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab und begründete die Ablehnung damit, dass die Dolmetscher- und Übersetzertätigkeit keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei.

Unter dem 22. Dezember 2010 beantragte der Kläger erneut eine Entschädigung für seinen Aufwand als Dolmetscher und Übersetzer in der Zeit vom 4. Dezember 2010 bis zum 5. Januar 2011. Er stellte 23 Tage á 3 Stunden zu 40,-- Euro zuzüglich Fahrkosten in Höhe von 46,50 Euro, insgesamt 2.806,50 Euro, in Rechnung. Dem Antrag war eine ärztliche Bescheinigung der Fachärzte für Innere Medizin K. vom 21. Dezember 2010 beigefügt, aus der sich ergibt, dass der Versicherte an den Folgen einer konsumierenden Bluterkrankung leide. Für notwendige Behördengänge, Arztbesuche und Begleitung zur Strahlentherapie sei ein Dolmetscher notwendig. Ohne die Hilfe des Dolmetschers sei die Versorgung des Versicherten gefährdet. Mit Bescheid vom 2. März 2011 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab. Am 09. März 2011 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2011 zurückwies. Die Beklagte verwies zur Begründung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Mai 1995 (1 RK 20/94). In der GKV versicherte Personen könnten, auch dann, wenn eine Verständigung zwischen ihnen und dem Arzt nicht möglich sei, nicht verlangen, dass auf Kosten der GKV zur ambulanten Untersuchung oder Behandlung ein Dolmetscher hinzugezogen werde.

Der Kläger hat am 12. Juli 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Seine Tätigkeit als Dolmetscher sei erforderlich geworden, weil der Versicherte insbesondere in medizinischen Angelegenheiten der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen sei. Er habe bereits mehrfach medizinisch gedolmetscht und übersetzt und sei bereits seit 1979 als vereidigter Dolmetscher beim Landgericht (LG) Hannover und auch bundesweit eingetragen. Eine medizinische Versorgung des Versicherten wäre ohne seine Übersetzung gefährdet gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 31. Januar 2014 die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Für den geltend gemachten Anspruch bestünden keinerlei Anspruchsgrundlagen. Zwischen der Beklagten und dem Kläger sei keinerlei Vertrag geschlossen worden, aus dem sich ein Anspruch ergeben könnte. Ein solcher Vertragsschluss sei auch nicht dadurch zustande gekommen, dass einige der Ärzte des Klägers sein Anliegen unterstützt und Stempel und Unterschrift auf den Antrag auf Aufwandsentschädigung für einen Dolmetscher und Übersetzer gesetzt hätten. KKen müssten sich derartiges Verhalten von Ärzten nicht zurechnen lassen. Eine etwaige falsche Beratung des Arztes bezüglich des Bestehens eines Anspruchs könnte allenfalls zu einem Schadensersatzanspruch gegen die Ärzte, nicht jedoch zu einem Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse führen. Ebenso wenig bestehe ein gesetzlicher Anspruch. Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) enthalte weder eine ausdrückliche Regelung über die Gestellung eines Dolmetschers noch ermächtige das Gesetz, eine derartige Leistung durch Rechtsverordnung oder Kassensatzung vorzusehen. Der geltend...

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