Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Kauf eines iPads für einen Schüler. einmaliger Bedarf. kein unabweisbarer Bedarf. keine analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB 2. kein Sozialhilfeanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kauf eines iPads zwecks Teilnahme an einer iPad-Klasse ist nicht vom Jobcenter gemäß § 21 Abs 6 SGB II als Zuschuss zu übernehmen, weil es sich um einen einmaligen Bedarf handelt, der prognostisch nicht in jedem Schuljahr wieder anfällt.

2. Eine atypische Lebenssituation liegt im Vergleich zu Haushalten knapp oberhalb des SGB II-Bedarfs und Beziehern von Kinderzuschlag nicht vor.

3. Der Bedarf ist ferner nicht unabweisbar, weil ein iPad weder schulrechtlich vorgeschrieben noch zum Erreichen des Schulabschlusses erforderlich ist. Unerheblich ist es, dass einzelne Schulen diese Ausstattung verlangen. Dadurch wird ein iPad nicht zum soziokulturellen Existenzminimum eines Schülers.

4. Eine analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II kommt nicht in Betracht, weil keine Regelungslücke besteht und dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde, wonach für diese Ausstattung die Schulverwaltungen zuständig sind.

5. Die Bevorzugung eines bestimmten Herstellers ohne Ausschreibung stellt einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht einer Schule dar, der dem Einsatz öffentlicher Mittel nach § 73 SGB XII entgegensteht.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 20. November 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme eines Tablets zwecks Teilnahme an einer iPad-Klasse als Zuschuss statt eines Darlehens.

Die am 9. Juli 2005 geborene Klägerin steht mit ihren Eltern und zwei Brüdern im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte ihnen der Beklagte mit Bescheid vom 28. Februar 2018 Arbeitslosengeld II für April - Dezember 2018 in Höhe von 1.796,80 EURO monatlich und Januar - März 2019 in Höhe von 1.738,00 EURO monatlich. Als Einkommen wurde lediglich das Kindergeld für die drei Kinder berücksichtigt. Erwerbseinkommen wurde von der Bedarfsgemeinschaft nicht erzielt. Die Klägerin besuchte die 6. Klasse in der Oberschule H. - Schulzentrum III Garbsen. Sie erhielt ferner vom Beklagten die Pauschale für den persönlichen Schulbedarf gemäß § 28 Abs. 3 SGB II in Höhe von 100 EURO (Bescheid vom 28. Februar 2018) und im Zeitraum Juni 2017 - Januar 2018 Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch (Bescheid vom 24. Mai 2017).

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2017 teilte das Lehrerteam des 6. Jahrganges den Eltern und Erziehungsberechtigten mit, dass ab Beginn des zweiten Schulhalbjahres im Februar 2018 alle Schüler des 6. Jahrgangs im Unterricht unterstützend ein iPad benutzen müssten, wobei diese Geräte nicht von der Schule, sondern von den Eltern zu finanzieren seien. Empfohlen werde die Anschaffung eines iPad 9.7 als Neugerät in der Version mit 32 GB Speicher. In der Klasse sollten einheitliche Geräte verwendet werden. Möglich sei statt eines Sofortkaufes auch ein Ratenkauf über die Firma I. (später im Laufe des Schuljahres über die Gesellschaft für digitale Bildung mbH) bei 12 Monatsraten zu 30,80 EURO, 24 Monatsraten zu 15,40 EURO oder 36 Monatsraten zu 10,90 EURO. Das Lehrerteam forderte im gleichen Schreiben „BuT berechtigte Familien“ auf, mit dem beigefügten Empfehlungsschreiben beim Jobcenter oder Sozialamt die Kostenübernahme für das iPad zu beantragen und im Falle einer Ablehnung Widerspruch einzulegen.

Daraufhin beantragte der Vater der Klägerin am 14. Dezember 2017 beim Beklagten die Übernahme der Kosten in Höhe von 461,90 EURO für ein iPad 9,7 (128 GB). Dabei kreuzte er auf der Bestellliste von den 5 angebotenen iPads mit unterschiedlicher Speicherkapazität die teuerste Variante an, und zwar in der Form des Sofortkaufes und nicht des als Alternative angegebenen Ratenkaufes. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 und Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 den Antrag bestandskräftig ab.

Am 19. März 2018 beantragte die Klägerin beim Beklagten erneut die Kostenübernahme für ein iPad, weil andere Schüler durch einen Beschluss des Sozialgerichts Hannover diese Kosten erstattet erhielten. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2018 unter Verweis auf den früheren Ablehnungsbescheid, in dem auf die bereits ausgeschöpfte Schülerpauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II verwiesen worden war, ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2018 zurück. Am 31. Mai 2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Hannover Klage erhoben (Az.: S 5 AS 2031/18).

Die Klägerin hatte zusätzlich beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens zwecks Anschaffung des benö...

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