Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. hauptberuflich selbständige Tätigkeit. Nachweispflicht der erzielten Einnahmen. Dreijahresfrist. Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der in § 240 Abs 4a Satz 4 SGB V normierten Dreijahresfrist zum Nachweis der tatsächlichen Einnahmen handelt es sich um eine Ausschlussfrist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 13. Oktober 2023 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollstreckung von rückständigen Beitragsforderungen im Rahmen des Eilrechtsschutzes.

Der 1971 geborene Antragsteller war vom 1. Januar 2019 bis zum 31. März 2020 bei der Antragsgegnerin freiwillig kranken- und gesetzlich pflegeversichert. In dieser Zeit erzielte er Einkommen aus selbstständiger Arbeit (freiberufliche Tätigkeit). Mit Bescheid vom 19. Januar 2019 setzte die Antragsgegnerin die monatlichen Beiträge ab 1. Januar 2019 zur Kranken- und Pflegeversicherung auf insgesamt 445,14 Euro vorläufig fest.

Mit Schreiben vom 22. September 2022 und 29. November 2022 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2019 und 2020 vorzulegen, da bislang nur eine vorläufige Beitragseinstufung vorgenommen worden sei. Der relevante Einkommenssteuerbescheid müsse spätestens innerhalb von 3 Jahren nach Ablauf des jeweiligen Jahres der vorläufigen Beitragsbemessung vorgelegt werden. Ansonsten sei die Antragsgegnerin nach dem Willen des Gesetzgebers verpflichtet, den Beitrag des Antragstellers in Höhe des gesetzlich festgelegten Höchstbeitrages des Jahres endgültig festzusetzen. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2019 sei bis zum 31. Dezember 2022 und der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 bis zum 31. Dezember 2023 einzureichen. Bei Einreichung der Unterlagen nach dem Ablauf der Frist könne die endgültige Festsetzung des Höchstbetrages nicht mehr vermieden bzw korrigiert werden.

Mit zwei gleichlautenden Bescheiden vom 26. April 2023 setzte die Antragsgegnerin die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 2019 und die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2019 endgültig auf Grundlage der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2019 fest, da der Antragsteller bis zum 31. Dezember 2022 keine Unterlagen vorgelegt habe. Eine Korrektur der Beitragsfestsetzung für dieses Kalenderjahr sei auch bei einer jetzigen Einreichung der Unterlagen nicht mehr möglich. Das Beitragskonto weise eine Forderung in Höhe von 5.028,20 Euro aus.

Mit email vom 18. Juli 2023 erhob der Antragsteller „Einspruch“ und bat um Neuberechnung sowie Anpassung seiner Beiträge für das Jahr 2019. Der email fügte er den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2019 vom 27. November 2020 bei, der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 10.975 Euro auswies.

Die Antragsgegnerin bewertete den Einspruch als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2023 zurückwies. Seit dem 1. Januar 2018 seien die Beiträge aus Arbeitseinkommen sowie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zunächst vorläufig festzulegen (§ 240 Abs 4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ≪SGB V≫). Die vorläufig festgesetzten Beiträge würden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr erst nach Vorlage des jeweiligen Einkommenssteuerbescheides endgültig festgesetzt. Weise das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nach, gelte für die endgültige Beitragsfestsetzung als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§7 Abs 7 Beitragsverfahrensgrundsätze). Bei der Dreijahresfrist zur Einreichung der Einkommenssteuerbescheide handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Der nach Fristablauf eingereichte Einkommenssteuerbescheid 2019 entfalte daher keine Rechtswirkung in Bezug auf die endgültige Beitragsfestsetzung für den streitbefangenen Zeitraum.

Der Antragsteller hat am 5. Oktober 2023 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und die Aussetzung der Vollziehung im Rahmen des Eilrechtsschutz beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Forderung sei zuletzt am 25. Juli 2023 angemahnt worden. Die Selbstständigkeit könnte bei einer Pfändung nicht weitergeführt werden; damit müsste Insolvenz angemeldet werden.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2023 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. Oktober 2023 (S 48 KR 660/23) gegen die Beitragsbescheide vom 26. April 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2023 angeordnet. Rechtsgrundlage sei § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die mit Widerspruch und Klage angefochtenen Beitragsbescheide erwiesen sich als rechtswidrig, soweit d...

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