Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Eingliederungshilfe. Unterbringung in einer Behinderten-Wohngemeinschaft. Unzumutbarkeit des Wechsels in eine stationäre Unterbringung

 

Orientierungssatz

1. Der Wunsch eines Pflegebedürftigen in der Behinderten-Wohngemeinschaft untergebracht und betreut zu werden ist nicht unangemessen iS des § 9 Abs 2 S 1 SGB 12.

2. Bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit der Unterbringung eines Hilfebedürftigen in einer stationären Einrichtung ist die Behörde nach § 13 Abs 1 SGB 12 verpflichtet, die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.

3. Ist der Hilfebedürftige seelisch behindert, stellt die vom Sozialhilfeträger vorgesehene stationäre Einrichtung für geistig behinderte Personen keine zumutbare Einrichtung iS des § 13 Abs 1 S 4 SGB 12 dar.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 28. Februar 2008 ist nicht begründet. Der Senat folgt bei den Besonderheiten dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens der Entscheidung des SG, durch die die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, die ungedeckten Kosten (Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe) für die ambulante Betreuung der Antragstellerin in der Wohngemeinschaft in der F. in G. vorläufig zu übernehmen. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerde nicht glaubhaft machen können, dass die von ihr bevorzugte Unterbringung der Antragstellerin in einer kostengünstigeren stationären Einrichtung - dem H. - zumutbar war. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die am 6. August 1961 geborene Antragstellerin gehört zum Personenkreis der behinderten Menschen. Sie bezieht Pflegegeld der Pflegestufe I sowie eine Weisenrente und lebte bis Mitte Februar 2007 bei ihrer Mutter. Sie besuchte regelmäßig die Förderstätte der I., wofür Eingliederungshilfe gewährt wurde.

Mitte Februar 2007 zog die Antragstellerin in eine Behindertenwohngemeinschaft in der F. in G. Die Wohnung wurde noch von drei weiteren Mietern bewohnt. Die Betreuung wurde durch die I. erbracht (siehe hierzu Senatsbeschluss vom 11. September 2008 - L 8 SO 40/08 ER -). Die Mieter bewohnen die mehr als 100 qm große Wohnung als Wohngemeinschaft, wobei jeder Bewohner über ein eigenes Zimmer verfügt. Da die Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung ablehnte, weil die Antragstellerin in eine kostengünstigere stationäre Einrichtung einziehen könne, suchte die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz beim SG Oldenburg nach. Dieses verpflichtete mit erstem Beschluss vom 15. Juni 2007 - S 2 SO 23/07 ER - die Antragsgegnerin, die ungedeckten Kosten (Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe) für die ambulante Betreuung der Antragstellerin in ihrer Wohngemeinschaft in der F. vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - für die Zeit vom 26. Februar 2007 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2007 zu übernehmen. Das hiergegen von der Antragsgegnerin eingeleitete Beschwerdeverfahren - L 13 SO 44/07 ER - wurde im Erörterungstermin vom 21. Februar 2008 nicht weiterverfolgt, die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Für die Folgezeit erging der Beschluss des SG Oldenburg vom 28. Februar 2008, der Antragsgegnerin zugestellt am 4. März 2008, mit dem diese verpflichtet wurde, die ungedeckten Kosten (Hilfe zu Pflege und Eingliederungshilfe) für die ambulante Betreuung der Antragstellerin in ihrer Wohngemeinschaft in der F. vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - für die Zeit vom 15. Januar 2008 (Antragseingang bei Gericht) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2008 zu übernehmen. Auf die Beschlussgründe beider Verfahren wird verwiesen. Die am 4. April 2008 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin geht im Wesentlichen dahin, die Antragstellerin könne weitaus kostengünstiger in einer stationären Einrichtung untergebracht werden, und zwar im H. Diese Unterbringung sei auch eine angemessene Unterbringungsform für die Antragstellerin.

Zum 1. Oktober 2008 wurde für die Antragstellerin eine Wohnung im J. angemietet. Aus der Wohngemeinschaft zog sie aus. Die Antragsgegnerin hatte bis dahin die Leistungen entsprechend dem sozialgerichtlichen Beschluss erbracht.

Einem richterlichen Vorschlag, angesichts dieser Konstellation übereinstimmende Erledigungserklärungen abzugeben oder die Beschwerde zurückzunehmen, um in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen, ob die Antragsgegnerin endgültig zur Kostentragung verpflichtet ist, sind die Beteiligten nicht gefolgt. Mithin ist eine Entscheidung über die Beschwerde nötig, weil eine Erledigung tatsächlich nicht eingetreten ist. Streitig ist der Zeitraum ab 15. Januar 2008 bis zum Auszug der Antragstellerin aus der Wohngemeinschaft im Oktober 2008. Für die sich an den Auszug anschließende Zeit ist der sozialgerichtliche Beschluss gegens...

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