Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Erstausstattung bei Geburt. Höhe bewilligter Pauschalbeträge. gerichtliche Überprüfbarkeit. fehlender Nachweis eines ungedeckten Bedarfs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bedarf für eine Erstausstattung bei Geburt nach § 24 Abs 3 Nr 2 SGB II ist bedarfsbezogen zu ermitteln. Die Rechtswidrigkeit der Höhe einer gewährten Pauschale kann sich nur daraus ergeben, dass mit dieser Pauschale der konkrete Bedarf nicht gedeckt werden konnte.

2. Die Gerichte haben nicht abstrakt und losgelöst von den geltend gemachten Aufwendungen im Einzelfall eine höhere Pauschale für die Säuglingserstausstattung festzulegen (Anschluss an LSG Halle vom 12.3.2013 - L 5 AS 63/12 = ZFSH/SGB 2013, 496 und LSG Celle-Bremen vom 10.2.2014 - L 7 AS 210/13 NZB).

 

Normenkette

SGB II § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 24 Ab S. 5; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.04.2021; Aktenzeichen B 4 AS 394/20 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Erstausstattung anlässlich der Geburt des Sohnes der Klägerin L..

Die im Mai 1984 geborene Klägerin steht seit 2005 im Leistungsbezug beim Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Jobcenter Uecker-Randow (nachfolgend stets: Beklagter). Sie ist die Mutter von A. (geboren am 02. Juli) und von L. (geboren am 25. November), dessen Vater der F., geboren 1979 ist.

Am 14. Juli 2011 beantragte sie beim Beklagten Leistungen für eine Babyerstausstattung. Mit Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Beklagte der Klägerin einmalige Leistungen in Höhe von 120,00 € für Babybekleidung und in Höhe von 140,00 € für die Erstausstattung (gebrauchtes Kinderbett komplett, gebrauchter Kinderwagen, gebrauchte Wickelkommode) entsprechend einer Richtlinie des Landkreises Uecker-Randow.

Hiergegen erhob die spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 05. August 2011 Widerspruch, der nachfolgend nicht begründet worden ist.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2012 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, die Leistungen für Sonderbedarfe könnten als Sach- oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Nach der noch fortdauernden Richtlinie des ehemaligen Landkreises Uecker-Randow in der Fassung vom 23. August 2006 sei ein Betrag von insgesamt 260,00 € (120 € für Bekleidung/Wäsche, 45 € für ein gebrauchtes Kinderbett komplett, 65 € für ein gebrauchten Kinderwagen, 30 € für eine gebrauchte Wickelkommode) für das erste Kind vorgesehen. Zwar handele es sich hier um die zweite Geburt. Da das ältere Kind jedoch vor mehr als 3 Jahren geboren worden sei, sei der volle Pauschbetrag zu gewähren. Eine Verweisung auf gebrauchte Sachen, was bei der Ermittlung des Pauschbetrages entsprechend berücksichtigt worden sei, sei dabei nicht zu beanstanden. Hierin sei keine Ausgrenzung der betreffenden Person zu sehen, sondern ein sparsames Verhalten und verantwortungsvoller Umgang mit den aus Steuermitteln zu erbringenden Leistungen. Der im Internet belegbare umfangreiche Handel mit gebrauchten Babysachen dokumentiere, dass es ohne Weiteres möglich sei, die notwendige Erstausstattung auf der Grundlage der bewilligten Geldbeträge sicherzustellen. Auch Nichtleistungsempfänger mit geringem Einkommen griffen oft auf gebrauchte Produkte zurück. Anhaltspunkte für eine atypische Situation, die es im Rahmen einer Einzelfallentscheidung rechtfertigen könnten, von dem genannten Pauschalwert abzuweichen, seien nicht ersichtlich. Dass die Klägerin die notwendige Erstausstattung bei Geburt mit dem ihr zur Verfügung gestellten Geldbetrag nicht finanzieren könne, sei auch nicht vorgetragen worden.

Mit der dagegen beim Sozialgericht (SG) Neubrandenburg am 04. März 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin höhere Leistungen für die Erstausstattung anlässlich der Geburt ihres Sohnes geltend gemacht. Die vom Beklagten gewährte Pauschale entspreche nicht dem tatsächlichen Bedarf. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge seien nachvollziehbare Erfahrungswerte zu den erforderlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Hierzu mangele es an geeigneten Feststellungen, sodass die Höhe der Pauschale auch nicht auf Erfahrungswerten beruhe. In der früheren Fassung der Richtlinie des vormaligen Landkreises Uecker-Randow sei eine Pauschale allein für die Babybekleidung in Höhe von 150 € vorgesehen gewesen, nach der geänderten Fassung vom 23. August 2006 nur noch 120 €, obwohl die Preise am Markt nicht sänken, sondern tendenziell stiegen. Von anderen Leistungsträgern bzw. von Sozialgerichten würden höhere Beträge anerkannt. In Berlin liege die Pauschale bei 525,74 €. Vom SG Dresden (Beschluss vom 29. Mai 2006, S 23 AS 802/06 ER) sei eine Pauschale in Höhe von 552 € anerkannt worden. Im Landkreis Kamenz liege die Pauschale bei 445 €, ebenso im Landkreis Rügen. Im Bereich des SG Oldenburg (Urteil vom ...

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