Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Grundsicherung für Arbeitssuchende und BAföG

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Ausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II für das in Teilzeit absolvierte und damit nach § 2 Abs 5 BAföG nicht förderfähige Studiensemester.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3, 5 S. 1, §§ 9, 27, 34; BAföG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, S. 3, Abs. 5 S. 1, Abs. 6; SGG § 130 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts A-Stadt vom 4. August 2021 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 18. Oktober 2019 und vom 23. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher vorgesehener Höhe zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine zuschussweise Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. März 2020.

Die im Februar 1992 geborene Klägerin zog zum 1. Oktober 2019 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer am ....2019 geborenen Tochter von E. nach A-Stadt. Seit dem 1. Oktober 2019 war die Klägerin als Studentin an der Universität A-Stadt im Studiengang M. eingeschrieben. Bei diesem Studiengang handelt es sich um einen viersemestrigen Masterstudiengang, der als Vollzeitstudium konzipiert ist.

Am 4. Oktober 2019 beantragte die Klägerin für sich, ihren nicht erwerbstätigen Ehemann und die gemeinsame Tochter die Gewährung von Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Einnahmen hat die Familie nur aus Elterngeld in Höhe von 300 Euro und Kindergeld von 204 Euro. Für die Mietwohnung waren 629 Euro Bruttowarmmiete zu entrichten. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2019 bewilligte der Beklagte dem Ehemann und der Tochter der Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Den Antrag der Klägerin lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, sie absolviere eine Ausbildung, die im Rahmen des BAföG förderungsfähig sei.

Mit dem Widerspruch vom 14. November 2019 verweis die Klägerin darauf, dass sie Teilzeitstudentin und weiterhin in Elternzeit sei. Sie hatte beim Prüfungsausschuss des Instituts für B. Wissenschaften der Universität A-Stadt für das erste Studienjahr einen Antrag auf ein individuelles Teilzeitstudium gestellt, den sie mit der notwendigen Betreuung ihrer Tochter begründet hat. Das Institut für B. Wissenschaften genehmigte diesen Antrag mit Schreiben vom 23. Oktober 2019. Einen von der Klägerin gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung lehnte das Studierendenwerk A-Stadt-X. mit Bescheid vom 14. November 2019 ab. Die Klägerin würde das als Vollzeitstudium angelegte Masterstudium in Teilzeit mit weniger als 20 Wochenstunden betreiben, der Antrag sei nach § 2 Abs. 5 BAföG abzulehnen. Sie könne daher kein BAföG erhalten. Die Klägerin führt daher aus, dass nach Auffassung des Gesetzgebers die Erwerbsfähigkeit, welche Grundvoraussetzung für Hartz IV sei, die Möglichkeit einer dreistündigen täglichen Arbeitszeit voraussetze. Dies sei grundsätzlich bei einem Teilzeitstudium der Fall, da sie höchstens 20 Stunden pro Woche durch das Studium eingespannt sei und damit auch eine Vermittlung durch das Jobcenter grundsätzlich möglich wäre. Betonen wolle sie hierbei, dass sie sich nach wie vor in Elternzeit befinde und sie sich jetzt für das Studium entschieden habe, weil sie ihre Tochter mit in die Universität, zu jeder Vorlesung und zu jeder Exkursion mitnehmen dürfe, was bei einem Arbeitsplatz ausgeschlossen sei und sie hoffe nach ihrer dreijährigen Elternzeit ausreichend berufsqualifiziert ins Arbeitsleben zurückkehren zu können.

Mit Änderungsbescheid vom 23. November 2019 bewilligte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin und ihrer Tochter unter Hinweis auf die Anpassung des Regelbedarfs höhere Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 30. September 2020. Eine Leistungsbewilligung für die Klägerin erfolgte wiederum nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2019 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, die Klägerin sei von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen. Bei dem Studium der M. handele es sich um eine dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähige Ausbildung. Der Förderungsfähigkeit dem Grunde nach stehe nicht entgegen, dass die Klägerin ihr Studium in Teilzeit absolviere. Grundsätzlich sei ein Teilzeitstudium dem Grunde nach nicht nach dem BAföG förderungsfähig. Im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II liege aber eine nicht förderfähige Ausbildung nur dann vor, wenn das Studium von Beginn und ausschließlich in Teilzeit absolviert werden könne, ohne dass der Studierende selbst während seines Studiums Einfluss darauf nehmen könne, ob er sein Studium in Teilzeit oder Vollzeit fortführe. Bei dem von der Klägerin durchgeführten ...

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