Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten. Wiederherbeiführung der Hilfebedürftigkeit. Vermögensverschwendung. Ausnahmefall. keine Prüfung und Bewertung einer bescheidenen Lebenshaltung. Heranziehung des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs 2 Nr 1 SGB 2. Sozialwidrigkeitsbegriff

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ehemaliger Leistungsbezug verpflichtet Personen, die wegen Vermögens keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben, nicht zu einem über das allgemeine Maß hinausgehenden zurückhaltenden Umgang mit diesem Vermögen. Betroffene sind nicht zu einer besonders bescheidenen Lebenshaltung verpflichtet und erst recht nicht dazu, vom Vermögen monatliche Ausgaben nur in Höhe von SGB-II-Leistungen zu tätigen.

2. Ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II wegen Vermögensverschwendung kommt damit nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sozialwidriges Verhalten liegt nur dann vor, wenn das Vermögen zielgerichtet zum möglichst baldigen Wiedereintritt in den Leistungsbezug verschleudert wird.

 

Orientierungssatz

Anschluss an BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 55/12 R - BSGE 112, 135 = SozR 4-4200 § 34 Nr 1.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Der Beklagte hat Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 € an die Staatskasse zu bezahlen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines seitens des Beklagten erlassenen Bescheides, mit dem dieser eine Ersatzpflicht der Klägerin in Höhe von 10.607,55 € festgestellt hat, und hierbei insbesondere darüber, ob ein eine Ersatzpflicht auslösendes sozialwidriges Verhalten der Klägerin gegeben war.

Die Klägerin stellte am 22. November 2012 einen ersten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Daraufhin wurden ihr zunächst bis April 2013 Leistungen bewilligt. Bei der Leistungsbewilligung war übersehen worden, dass die Klägerin über Vermögen, insbesondere in Form einer Lebensversicherung bei der AXA Versicherung verfügte. Mit Bescheid vom 10. April 2013 wurde daher die Bewilligung ab dem 15. April 2013 ganz zurückgenommen.

Die Klägerin stellte am 21. März 2013 einen Fortzahlungsantrag. Dieser wurde mit Bescheid vom 11. April 2013 unter Verweis auf verwertbares Vermögen der Klägerin in Höhe von 25.555,96 € abgelehnt. Dem Vermögen stehe ein Freibetrag der Klägerin von 9.450,00 € entgegen. Demnach sei sie nicht hilfebedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. In dem Bescheid ist folgender Absatz enthalten:

„Bitte beachten Sie, dass Sie mit dem bestehenden Vermögen wirtschaftlich umgehen. Für die Angemessenheit des Verbrauchs von Vermögen sind gem. § 12 SGB II die Lebensumstände während des Bezugs von Leistungen zur Grundsicherung maßgebend. Bei Ihrem bisherigen Leistungsanspruch von 679,18 € zzgl. der selbst zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von monatlich 256,13 € ergibt sich ein monatlicher Bedarf von 935,31 €, so dass Sie mit dem übersteigenden Vermögen 17 Monate Ihren Lebensunterhalt bestreiten können.“

Am 13. September 2013 stellte die Klägerin einen neuen Antrag beim Beklagten. Da das Vermögen der Klägerin nunmehr unterhalb der Freibeträge lag, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11. Februar 2014 für Oktober bis Dezember 2013 monatlich 953,83 €, für Januar bis März 2014 monatlich 962,83 €. Hierin enthalten war jeweils ein Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Mit vorläufigem Bescheid vom 24. März 2014 wurden der Klägerin für April bis Juni 2014 monatlich 983,55 € bewilligt.

Am 13. Februar 2014 hörte der Beklagte die Klägerin dahingehend an, dass sie nach Kenntnis des Beklagten ihre Hilfebedürftigkeit möglicherweise vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne wichtigen Grund herbeigeführt habe. Die Klägerin nahm hierzu am 03. März 2014 Stellung und gab an, dass sie während ihrer 19jährigen Selbständigkeit teilweise 11 Stunden gearbeitet und weder Zeit noch Lust oder Geld gehabt habe, um Möbel zu kaufen bzw. ihre Wohnung zu renovieren. Das Geld habe sie in ihre Altersvorsorge eingezahlt, welche sie nun verbrauchen musste. In dem Wissen, dass sie in ihrem Alter keine Vollbeschäftigung mehr erhalte und nur mit dem Regelbedarf auskommen müsse, habe sie ihre verschlissenen Möbel und Teppichböden sowie unansehnlichen Tapeten erneuert. Sie habe kein Auto, mache keine Urlaubsreisen und wolle lediglich eine schöne Wohnung haben. Sie könne hierin kein sozialwidriges Verhalten erkennen.

Am 10. Juli 2014 wurde der Klägerin ihre Lebensversicherung bei der Volkswohl Bund Lebensversicherung AG mit einem Betrag von 57.245,27 € ausgezahlt. Hiervon zahlte die Klägerin einen Betrag von 45.000,00 € bei der ERGO Direkt Lebensversicherungs AG in eine Rentenversicherung ein. Der Beklagte nahm am 19. Mai 2014 eine Vermögensberechnung vor. Hierbei legte er zugrunde, dass von dem Rentenversicherungsguthaben in Höhe von 45.000,00 € 44.250,00 € als Altersvorsorge geschützt seien. Hinzu komme ...

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