Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Leistungen des Grundsicherungsträgers für Genossenschaftsanteile als Darlehen zur Beschaffung einer Wohnung für den Grundsicherungsberechtigten

 

Orientierungssatz

1. Nach § 22 Abs. 6 S. 3 SGB 2 soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden. Genossenschaftsanteile werden in § 22 Abs. 6 SGB 2 erst mit der ab 1. 8. 2016 geltenden Fassung ausdrücklich genannt. Für den davor liegenden Zeitraum ist die Vorschrift analog anwendbar. Der Gesetzeswortlaut sieht eindeutig eine darlehensweise Gewährung als Regelfall vor. Das Nichtvorhandensein eigener Mittel des Betroffenen ist bereits Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen für Genossenschaftsanteile und damit der typische Fall. Damit ist eine Zuschussgewährung anstelle einer solchen als Darlehen ausgeschlossen.

2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Ein Darlehen ist sachgerecht, weil die Genossenschaftsanteile in das nicht verwertbare Vermögen des Grundsicherungsberechtigten übergehen und die steuerfinanzierten Mittel der Grundsicherung nicht der Vermögensbildung dienen sollen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob dem Kläger Leistungen für Genossenschaftsanteile als Darlehen oder als Zuschuss zu gewähren waren und ob der Beklagte zur Aufrechnung des Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen den Anspruch auf Regelbedarfsleistungen berechtigt ist.

Der 1982 geborene, erwerbsfähige Kläger bezog und bezieht seit 2014 bis heute ohne Unterbrechung laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Schreiben vom 15. Januar 2015 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe eine neue Wohnung in der W. in … gefunden und beantrage unter anderem ein Darlehen über 2.450,- Euro für den Erwerb der hierfür notwendigen Genossenschaftsanteile. Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 sicherte der Beklagte dem Kläger die Gewährung eines Darlehens in beantragter Höhe zu. Der Kläger unterzeichnete am 2. Februar 2015 einen Dauernutzungsvertrag über die Wohnung. Zudem trat der Kläger der B. bei und verpflichtete sich, Geschäftsanteile in Höhe von 2.450,- Euro zu leisten.

Am 13. Februar 2015 unterschrieb der Kläger einen auf den 11. Februar 2015 datierten Abtretungsvertrag mit dem Beklagten. Darin wurde vereinbart, dass der Kläger zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs seinen Anspruch auf Rückzahlung der im Fall des Auszugs gekündigten Genossenschaftsanteile gegen die B. an den Beklagten abtrete. Ferner heißt es, der Inhalt des Darlehensbescheides vom 11. Februar 2015 werde zum Inhalt des Vertrages gemacht.

Mit Bescheid vom 19. Februar 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 2.450,- Euro für Genossenschaftsanteile. In den dem Bescheid beigefügten Darlehensbedingungen heißt es, der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens werde ab dem Monat, der auf die Auszahlung des Darlehens folge, gegen den Anspruch des Darlehensnehmers auf den Regelbedarf in Höhe von 10 % dieses Bedarfs aufgerechnet. Es werde ein gesonderter Aufrechnungsbescheid erteilt. Das Darlehen werde grundsätzlich zinslos gewährt, nur Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz würden berechnet. Werde das Darlehen von dritter Seite verzinst, wie beispielsweise bei Genossenschaftsanteilen und Dividenden, würden Zinsen in Höhe dieses Anspruchs erhoben. Das Darlehen wurde ausweislich einer Kassenanordnung des Beklagten am 19. Februar 2015 ausgezahlt.

Am 17. März 2015 legte der Kläger Widerspruch gegen den Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015 ein. Zur Begründung führte er aus, dass er bisher keinen separaten Aufrechnungsbescheid erhalten habe, der Beklagte jedoch bereits mit der Aufrechnung der Darlehenstilgungsraten begonnen und trotz der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs eine rechtswidrige Verrechnung mit dem Regelsatz in den Monaten März, April und Mai 2015 vorgenommen habe. Der Kläger bat darum, die bislang einbehaltenen Beträge in Höhe von dreimal 39,90 Euro an ihn auszuzahlen. Ferner führte er aus, im Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 werde ein Darlehensbescheid vom selben Tag zum Inhalt des Vertrags erklärt. Es gebe jedoch keinen Darlehensbescheid, der auf diesen Tag datiere. Der Darlehensbescheid sei erst nach Unterzeichnung des Abtretungsvertrags ausgestellt worden, sodass er nicht Gegenstand des Abtretungsvertrages sei. Es sei somit nicht wirksam vereinbart worden, dass eine Rückzahlung des Darlehens eine Auswirkung auf den Abtretungsvertrag habe. Insgesamt sei unklar, welche Auswirkungen die ratenweise Tilgung des Darlehens auf die Abtretungsvereinbarung habe, insbesondere ob die Abtretung in der Höhe auf die jeweilige Restschuld beschränkt sei. Zudem wandte sich der Kläger gegen die Verzinsung des Darlehens in Höhe der Dividenden auf die Genossenschaftsanteile. Das Darlehen sei zinslos zu gewähre...

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