Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Pflegegeld nach § 39 SGB 8. Erziehungsbeitrag. Tagespflegegeld nach § 23 SGB 8. Erziehungsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei Vollzeitpflege ist das Erziehungshonorar teilweise als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen (Fortführung von LSG Hamburg vom 23.6.2005 - L 5 B 80/05 ER AS).

 

Orientierungssatz

1. Der "Erziehungsgeld" genannte Teil des Tagespflegegeldes nach § 23 Abs 3 SGB 8 ist zwar eine zweckbestimmte Einnahme, aber (teilweise) als Einkommen zu berücksichtigen, wenn er die Lage der Pflegemutter so günstig beeinflusst, dass daneben insoweit Leistungen nach dem SGB 2 nicht gerechtfertigt sind (§ 11 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB 2). Gleiches gilt für den Erziehungsbeitrag, der in der Pflegepauschale im Pflegegeld nach § 39 SGB 8 enthalten ist.

2. Die Berücksichtigung der Werbungskostenpauschale für selbstständig Erwerbstätige gem § 11 Abs 2 SGB 2 iVm § 3 Nr 3 Buchst b AlgIIV bei Empfängern von Erziehungsgeld iS des SGB 8 ist unvereinbar mit der Privilegierung dieser Einkünfte als zweckbestimmte Einnahme, die erst den Weg für eine Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe der Hälfte der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts eröffnet.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die fristgerecht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, der das Sozialgericht (SG) Hamburg nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Arbeitslosengeld II ohne Berücksichtigung ihrer Einnahmen aus der Tagespflege von drei Kindern und der Vollzeitpflege eines weiteren Kindes zu gewähren.

Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der durch den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit seiner vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Vielmehr fehlt es hier schon am Anordnungsanspruch. Das der Antragstellerin als Bestandteil des Tagespflegegeldes gewährte Erziehungsgeld für D. N., geb. … 2001, C. B., geb. … 1995, und J. B., geb. 3. 1994, sowie der ihr für die Vollzeitpflege von M. B1, geb. … 2001, neben dem Pflegegeld gezahlte Erziehungsbeitrag (auch als Kosten der Erziehung bezeichnet) sind bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II als ihr Einkommen anzurechnen.

Die als Erziehungsbeitrag, Erziehungsgeld oder Kosten der Erziehung bezeichneten Zuwendungen des Jugendamts sind Einkommen der Antragstellerin.

Gegenteiliges lässt sich für die Kosten der Erziehung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) nicht daraus ableiten, dass diese nach dem Wortlaut des Gesetzes Bestandteil des vom Jugendamt nach Satz 1 sicherzustellenden notwendigen Unterhalts des Kindes außerhalb des Elternhauses sind. Dieser - ebenso im Unterhaltsrecht (§ 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch) - geregelte Zusammenhang bedeutet nicht, dass die Pflegeperson mit diesen Mitteln ausschließlich einen weiteren Bedarf des Pflegekindes decken darf und ihr die Verwendung für den eigenen Unterhalt untersagt ist.

Bestandteil des Unterhaltsanspruchs des Kindes ist diese Leistung des Jugendamtes, weil die Mittel benötigt werden, um die notwendige Erziehung des Kindes zu finanzieren. Wird die Erziehung - wie hier - außerhalb des Elternhauses geleistet, ist auch diese Erziehungsleistung kostenpflichtiger Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts. In diesen Fällen werden Pflege und Erziehung von Personen übernommen, die zur Übernahme dieser Aufgabe gesetzlich nicht verpflichtet und deren Leistungen deshalb ebenfalls in bestimmtem Umfang zu entgelten sind (Pflegeeltern, Heimerzieher). Dass solche Kosten in Einrichtungen entstehen, wird seit dem fast völligen Verschwinden religiös motivierter Tätigkeit von Ordensleuten und infolge der Einstellung zu entlohnender Fachkräfte akzeptiert. Betreuung und Erziehung fremder Kinder oder Jugendlicher in einem familiären Rahmen wird dagegen immer noch vielfach als Ehrenamt begriffen. Ein solches Verständnis wird der gesellschaftlichen Realität nicht mehr gerecht. Anders als im 19. Jahrhundert, als Pflegekinder als billige Arbeitskräfte in der Landwirtschaft eingesetzt werden konnten, erfordert diese Aufgabe heute - nicht zuletzt im Hinblick auf bereits vorhandene psychische Schäden und V...

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