Leitsatz (amtlich)

1. Die Beitragserhebung in der gesetzlichen Sozialversicherung richtet sich nach den in ihrem Gesamtkontext zu berücksichtigenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 14 Abs 1, 23 Abs 1 SGB 4 nach dem geschuldeten (ggfls bei Fälligkeit noch nicht gezahlten) Arbeitsentgelt, nicht lediglich nach dem Arbeitsentgelt, welches dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossen ist. Geschuldet ist das Arbeitsentgelt in der Höhe, die sich aus dem Arbeitsvertrag sowie aus dem für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag ergibt.

2. Bei untertariflicher Bezahlung ist bei Alleingültigkeit eines Tarifvertrages das tariflich zustehende und nicht lediglich das zugeflossene Arbeitsentgelt für die Beitragshöhe zur Sozialversicherung maßgebend.

 

Orientierungssatz

Nach den Entscheidungen des BSG vom 18.11.1980 - 12 RK 59/79 = BSGE 51, 31 = SozR 2200 § 1399 Nr 13) und vom 27.9.1983 - 12 RK 10/82 = BSGE 55, 297 = SozR 5375 § 2 Nr 1) erfordern im Beitragsrecht der Sozialversicherung Treu und Glauben, dass die Beitragspflichtigen - in der Regel die für die Beitragsberechnung und -abführung "in Dienst genommenen Arbeitgeber" - nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden, die in Widerspruch steht zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf deren Rechtmäßigkeit sie vertraut hatten und vertrauen durften. Das soll gleichermaßen gelten bei Änderungen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, von deren Maßgeblichkeit bisher nicht nur die Einzugsstellen, sondern auch die Beitragspflichten, insbesondere die abrechnenden Arbeitgeber, ausgegangen waren und die sie deshalb ihrer Beitragsentrichtung zugrunde gelegt hatten.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 10.06.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin beschäftigte in der Zeit vom 08.02.1999 bis zum 26.07.1999 den Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmer im Baugewerbe aufgrund einer Vereinbarung mit dem Landkreis Sa. sowie mit dem Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales im Rahmen des Jugend-Arbeit-Zukunft-Landesprogrammes. Dem Beigeladenen zu 1) wurde in diesem Zeitraum ein Stundenlohn von 13,50 DM gezahlt, bei 39,5 Stunden pro Woche wurde je Monat insgesamt ein Arbeitsentgelt von 2.300,- DM gezahlt. Der mit Wirkung vom 01.07.1997 für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestarbeitsentgeltes im Baugewerbe in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sieht für die unter ihn fallenden Beschäftigten demgegenüber als Mindestentgelt einen Stundenlohn von 16,- DM an Arbeitsorten in den alten Bundesländern vor.

Mit Bescheid vom 21.08.2000 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) einen Nachforderungsanspruch für Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.061,88 DM für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in dem Zeitraum vom 08.02.1999 bis zum 26.07.1999 geltend. Die Höhe der Nachforderung ergab sich aus dem Umstand, dass der Differenzbetrag zwischen dem tariflichen Mindestlohn und dem tatsächlich gezahlten Lohn nachträglich der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterworfen wurde.

Mit Schreiben vom 04.09.2000 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen des oben bereits benannten Programms eingestellt worden sei; dabei sei seitens der staatlichen Träger ausdrücklich festgehalten worden, dass bei 39,5 Stunden pro Woche 2.300,- DM im Monat an Lohn zu zahlen sei. Auf dieser Basis habe der Landkreis Sa. der Klägerin auch einen Lohnkostenzuschuss von 1.400,- DM pro Monat gewährt. Von den diversen beteiligten staatlichen Stellen sei auf die Notwendigkeit der Einhaltung von Mindestlohnbedingungen nicht hingewiesen worden. Erstmals durch Maßnahmen des Hauptzollamtes sei die Klägerin von dieser Verpflichtung unterrichtet worden. Ein von dieser Seite angestrengtes Bußgeldverfahren habe man eingestellt.

Mit Bescheid vom 06.12.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid werde des Weiteren darauf verwiesen, dass die Einstellung des Bußgeldverfahrens für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes unerheblich sei. Grundlage für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge sei unabhängig von den tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelten der tarifliche Mindestlohn im Baugewerbe. Der von der Klägerin geltend gemachte Verbotsirrtum stehe dem nicht entgegen.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.01.2001 Klage beim Sozialgericht für das Saarland (SG) erhoben. In einem zugleich betriebenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung hat sie zunächst auf...

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