Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung. Ausschlusswirkung des § 275 Abs 1c SGB 5. zeitnahe Durchführung der Prüfung innerhalb von 12 Wochen. Zurechnung eines Verstoßes des Sozialmedizinischen Dienstes gegen die Krankenkasse. Einwendungsausschluss der Krankenkasse. Beschränkung der Präklusionswirkung auf die Sachverhaltsermittlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Auffassung des Senats ist eine Prüfung zeitnah im Sinne des § 275 Abs 1c S 1 SGB 5, wenn sie innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen ist; dieser Zeitraum darf nur bei Vorliegen eines zureichenden Grundes überschritten werden.

2. Ein Verstoß des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) gegen das in § 275 Abs 1c S 1 SGB 5 verankerte Gebot der zeitnahen Prüfung ist der Krankenkasse zuzurechnen; was für Verstöße des MDK gilt, bleibt offen.

3. Der Verstoß gegen das in § 275 Abs 1c S 1 SGB 5 verankerte Gebot der zeitnahen Prüfung hat zur Folge, dass die Krankenkasse mit Einwendungen ausgeschlossen ist (§§ 242 BGB, 69 SGB 5). Die Präklusionswirkung erstreckt sich nur auf die Sachverhaltsermittlung, nicht aber auf die rechtliche Prüfung unter Zugrundelegung des auch bei Eintritt der Präklusionswirkung bereits festgestellten Sachverhalts; die Ausschlusswirkung beschränkt sich im Ergebnis auf solche Umstände, die auch das Gericht nur nach Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu klären vermag.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.07.2013; Aktenzeichen B 3 KR 21/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 28.04.2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Der Kläger ist Träger eines zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenen Krankenhauses in H.. Vom 25.09. bis 01.10.2009 wurde die bei der Beklagten krankenversicherte E. S. im Krankenhaus des Klägers stationär behandelt. Mit Rechnung vom 02.10.2009 stellte der Kläger dafür insgesamt 4.012,97 Euro in Rechnung. Abgerechnet wurde u. a. die DRG F62B (Herzinsuffizienz und Schock mit äußerst schweren CC [Komplikationen oder Komorbiditäten], ohne Dialyse, ohne Reanimation, ohne komplizierende Diagnose).

Die Beklagte zahlte am 07.10.2009 zunächst den gesamten Rechnungsbetrag und bat mit Schreiben vom selben Tag um eine medizinische Begründung entsprechend der landesvertraglichen Vorgaben, da die übermittelten Daten eine zweifelsfreie Beurteilung zur Frage, ob die angegebene Hauptdiagnose der DRG-Abrechnung zur Grunde zu legen sei, nicht zulasse. Als Begründung gab der Kläger daraufhin an: “HD korrekt stat. Aufnahme wegen Li-kardialer dekompensation„.

Mit Schreiben vom 21.10.2009 teilte der sozialmedizinische Dienst (SMD) dem Kläger mit, dass er mit der Überprüfung des Abrechnungsfalles beauftragt sei. Nachdem der Kläger den Krankenhausentlassungsbericht übersandt hatte (Schreiben vom 22.10.2009), gab der SMD am 22.04.2010 folgende Stellungnahme ab:

“Krankenhausseitig ermittelte DRG F62B.

Hauptdiagnose ist nicht zu beanstanden. Dem vorliegenden Entlassungsbrief ist zu entnehmen, dass bei der Patientin ein bronchopulmonaler Infekt vorlag und mit Unacid therapiert wurde. Laut Alphabetischem ICD-Verzeichnis 2009 ist ein bronchopulmonaler Infekt mit ICD J22 anzugeben, somit ist die abgerechnete ICD J20.9 gegen J22 auszutauschen. Die Nebendiagnose K92.2 (gastrointestinale Blutung, nicht näher bezeichnet) ist nicht belegt. Die in der Neurologischen Ambulanz aufgetretenen Hämatinauflagerungen bei Husten und Erbrechen sind unseres Erachtens auf den bronchopulmonalen Infekt zurückzuführen. Es gab keine Hinweise auf gastrointestinale Blutung, der Hb-Wert blieb stabil, bei “Ermangelung nachgewiesener Blutungszeichen„ wurde auf eine ÖGD verzichtet. Somit ist die in der Neurologischen Ambulanz aufgetretene Hämoptyse mit ICD R04.2 anzugeben, die ICD K92.2 ist zu streichen. Unter Beibehaltung der Hauptdiagnose, Austausch der ICD J20.9 gegen J22, Wegfall der ICD K92.2, zusätzliche Nebendiagnosenzuweisung mit R04.2, Beibehaltung der weiteren Nebendiagnosen wird der stationäre Aufenthalt durch die DRG F62C abgebildet.„

Die Beklagte rechnete daraufhin am 04.05.2010 gegenüber einer unstreitigen Forderung des Klägers einen Betrag in Höhe von 1.296,86 Euro (4.012,97 abzüglich des sich auf Grundlage der Stellungnahmen des SMD ergebenden Zahlbetrages in Höhe von 2.716,11 Euro) auf.

Mit Schreiben vom 06.05.2010 rügte der Kläger, dass der SMD seine Bedenken nicht gegenüber dem leitenden Abteilungsarzt bzw. dessen Stellvertreter dargelegt und mit diesem erörtert habe. Zudem verwies der Kläger darauf, dass die Ärzte seines Medizincontrollings wie folgt Stellung genommen hätten: “Beanstandet wurden die von uns kodierten Nebendiagnosen J20.9 und K92.2, die nicht korrekt bzw. nicht belegt seien. Hierzu ist anzuführen, dass das Vorlie...

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