Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsbeihilfe. Einkommensanrechnung. Berücksichtigung des absehbaren Einkommens im Bewilligungszeitraum. Ausbildungsvergütung und Einmalzahlungen. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbaren, also auch zukünftigen Einkommens des Auszubildenden (hier Ausbildungsvergütung und Jahressonderzahlungen) im voraussichtlichen Bewilligungszeitraum nach § 71 Abs 2 S 1, Abs 2 S 2 Nr 1 SGB 3 idF vom 10.12.2001 bzw § 71 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 idF vom 22.12.2005 iVm §§ 21 Abs 2, 22 Abs 1 S 1 BAföG ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.07.2009; Aktenzeichen B 11 AL 20/08 R)

 

Tenor

1.

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 19. April 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und in diesem Zusammenhang um die Höhe des monatlich anrechenbaren Einkommens.

Der ... 1982 geborene Kläger, der türkischer Staatsbürger ist, beantragte bei der Beklagten am 08. Juni 2005 die Zahlung von BAB für seine Ausbildung zum Industriemechaniker, die er in der Zeit vom 01. September 2005 bis 28. Februar 2009 bei der S AG in V absolviert. In dieser Zeit erhält der Kläger von seinem Ausbildungsbetrieb folgende monatliche Bruttoausbildungsvergütung:

- von September 2005 bis Januar 2006:

619,30 Euro

- von Februar 2006 bis August 2006:

641,30 Euro

- von September 2006 bis August 2007:

664,30 Euro

- von September 2007 bis August 2008:

701,30 Euro

- von September 2008 bis August 2008:

749,30 Euro.

Zusätzlich erhält er an einmaligen Zahlungen im Jahr 2005 131,84 Euro, im Jahr 2006 878,05 Euro, im Jahr 2007 920,91 Euro und im Jahr 2008 970,99 Euro.

Der Kläger wohnte seit dem 01. Mai 2005 mit seiner Lebensgefährtin in S. Für die Wohnung waren monatlich 320,00 Euro Miete zuzüglich 80,00 Euro Nebenkosten zu zahlen. Ausweislich einer Mitteilung vom 11. August 2006 ist er mittlerweile nach V umgezogen, über die Höhe der nunmehr anfallenden Miete liegen keine Unterlagen vor.

Die Mutter des Klägers ist verstorben. Ausweislich der vom Kläger gemachten Angaben ist sein Vater, der in A wohnt, seit 1995 Rentner; er hat sich mindestens drei Jahre im Bundesgebiet aufgehalten und war rechtmäßig erwerbstätig. Mehrere Anfragen der Beklagten bei diesem hinsichtlich seines monatlichen Einkommens blieben erfolglos. Nach Angaben des Klägers ist sein Vater wiederverheiratet; seine Rente bewege sich möglicherweise in einer Höhe von 1.000,00 Euro bis 1.200,00 Euro monatlich, die genaue Höhe der Rente kennt der Kläger nicht; er habe schon lange keinen Kontakt mehr zu seinem Vater.

Mit Bescheid vom 16. November 2005 lehnte die Beklagte die Zahlung von BAB an den Kläger ab. Zur Begründung führte sie aus, dass dem Kläger die für seinen Lebensunterhalt und für seine Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden. Ausweislich der Anlage zu diesem Bescheid legte sie für die Zeit vom 01. September 2005 bis 28. Februar 2007 einen monatlichen Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 507,00 Euro zu Grunde und ermittelte einen Gesamtbedarf in derselben Höhe, da sie Fahrkosten und sonstige Aufwendungen nicht berücksichtigte. Dem stellte sie in demselben Zeitraum ein monatliches Einkommen in Höhe von 535,79 Euro gegenüber, welches folglich seinen Bedarf überstieg.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit am 14. Dezember 2005 bei der Beklagten eingegangenem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 09. Januar 2006 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten darauf hin, dass das monatliche Einkommen des Klägers unzutreffend ermittelt worden sei. Zutreffend sei ein monatlicher Betrag in Höhe von 548,68 Euro, der sich unter Zugrundelegung der von der Ausbildungsstätte des Klägers bescheinigten Höhe der Ausbildungsvergütung wie folgt berechne:

von September 2005 bis Januar 2006:

619,30 Euro x 5 =

3.096,50 Euro

von Februar 2006 bis August 2006:

641,30 Euro x 7 =

4.489,10 Euro

von September 2006 bis Februar 2007:

664,30 Euro x 6 =

3.985,80 Euro

einmalig im Dezember 2005:

131,84 Euro

einmalig im Dezember 2006:

878,05 Euro

insgesamt

12.581,29 Euro

abzüglich 21,5 % Sozialpauschale =

2.704,98 Euro;

es verbleiben:

9.876,31 Euro

geteilt durch 18 Monate =

548,68 Euro.

Diesem Einkommen stehe lediglich ein Bedarf von 507,00 Euro monatlich gegenüber. Bei Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils werde bei einer beruflichen Ausbildung ein Betrag in Höhe von 310,00 Euro zu Grunde gelegt. Dieser Bedarf erhöhe sich für die Unterkunft um 133,00 Euro; da die Miet- und Nebenkosten für die Unterkunft nachweislich 183,00 Euro überstiegen, erhöhe sich der genannte Bedarf um weitere 64,00 Euro. Der Bedarf für den Lebensunterhalt betrage demnach insgesamt 507,00 Euro (310,00 Euro + 133,00...

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