Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorrangige Sozialleistungen. Pflicht zur Beantragung vorzeitiger Altersrente mit Rentenabschlägen. Unbilligkeit iS des § 2 UnbilligkeitsV nur bei Bezug von Arbeitslosengeld. Bundesfreiwilligendienst keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung iS des § 4 UnbilligkeitsV

 

Orientierungssatz

1. Nach § 2 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente unbillig, wenn und solange sie zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen würde. Damit wird jedoch nur eine Unbilligkeit bei Bezug von Arbeitslosengeld erfasst. Für die Zeit des Erwerbs einer Anwartschaft auf einen Arbeitslosengeldanspruch gilt § 4 UnbilligkeitsV.

2. Der Bundesfreiwilligendienst stellt keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung iS des § 4 UnbilligkeitsV dar.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin, eine vorzeitige Altersrente

zu beantragen.

Die 1952 geborene Klägerin ist Eigentümerin eines von ihr bewohnten Hausgrundstücks und bezog seit dem Jahr 2007 (im Wesentlichen ergänzende) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 07. April 2016 wurden ihr für die Zeit vom 01. Mai 2016 bis 31. August 2016 Leistungen in Höhe von 408,91 Euro für Mai und Juli 2016 bzw. 321,11 Euro für Juni und August 2016 vorläufig bewilligt.

Ausweislich einer Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn See vom 5. Februar 2016 hatte die Klägerin Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte. Laut einer von der Klägerin eingereichten Rentenauskunft erreichte sie die Regelaltersgrenze am 1. September 2017. Für die Zeit vom 1. März 2016 bis zum 28. Februar 2017 hatte die Klägerin eine Stelle beim Bundesfreiwilligendienst mit einer wöchentlichen Dienstzeit von 21,5 Stunden inne. Hierfür erhielt sie ein Taschengeld von monatlich 200,00 Euro. Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 81,22 Euro wurden von der Einsatzstelle abgeführt.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 (Eingang Knappschaft) stellte der Beklagte aufgrund eines vorangegangenen Bescheides zur Aufforderung zur Altersrentenbeantragung vom 02. Februar 2016 bei der Knappschaft Bahn See für die Klägerin einen Antrag auf geminderte Altersrente. Der gegen den Bescheid vom 2. Februar 2016 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2016 zurückgewiesen, hiergegen ist anhängig der Rechtsstreit S 33 AS 774/16 - L 25 AS 1331/18

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Juni 2016 forderte der Beklagte die Klägerin erneut auf, bis zum 15. Juli 2016 einen Antrag auf geminderte Altersrente zu stellen und dies mitzuteilen. Zur Begründung heißt es insbesondere, es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich, welche gegen die Beantragung der vorrangigen Leistungen sprechen. Die Beantragung der vorzeitigen Rente sei der Klägerin in Abwägung ihrer Interessen mit dem Interesse an wirtschaftlicher und sparsamer Verwendung von Leistungen nach dem SGB Il zumutbar. Eine Ausnahme nach der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 09. Juli 2016 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass aufgrund ihres Freiwilligendienstes ein Fall der Unbilligkeitsverordnung vorliege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ein Fall der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor, es sei von einem intendierten Ermessen auszugehen und ein atypischer Fall sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat am 02. August 2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) - SG - erhoben. Aufgrund ihres Bundesfreiwilligendienstes sei sie sozialversicherungs-pflichtig beschäftigt, so dass ein Fall von § 4 Unbilligkeitsverordnung vorliege.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 erkannte die Knappschaft Bahn See gegenüber der Klägerin aufgrund deren Antrags vom 15. November 2016 einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte als Rentenvorschuss ab dem 01. November 2016 an. Eine endgültige Rentenberechnung sei aufgrund des laufenden Klageverfahrens gegen die Aufforderung des Beklagten zur Rentenantragstellung nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid haben die Klägerin und der Beklagte Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 22. März 2017 erkannte die Knappschaft Bahn See gegenüber der Klägerin aufgrund des Antrags des Jobcenters vom 26. Februar 2016 einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte dem Grunde nach ab dem 01. Februar 2016 an (mtl. Vorschussleistung ab 05/2017 930,02 Euro). In dem Bescheid heißt es, der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens.

Das SG hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage mit Urteil vom 24. Mai 2018 abgewiesen.

Der Bescheid vom 28. Juni 2016 in der Ge...

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