Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht des Rentenversicherungsträgers zur Gewährung beruflicher Rehabilitationsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Nach § 33 Abs. 1 SGB 9 i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2b SGB 6 sind vom Rentenversicherungsträger Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, wenn die geminderte Erwerbsfähigkeit des Versicherten hierdurch wesentlich gebessert oder zumindest deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.

2. Für die Besserung der Erwerbsfähigkeit und für die Abwendung einer Verschlechterung ist nicht vom Bezugsberuf, sondern vom gegenwärtigen Stand der Leistungsfähigkeit des Versicherten auszugehen. Dabei kommt es nicht auf eine unterstützungslose Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt an. Es genügt eine behindertengerechte Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses.

3. Ausreichend ist der Einsatz auf einem Halbtagsarbeitsplatz, wenn ein über sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei entsprechender Förderung in absehbarer Zeit zu erreichen ist.

4. Der Rehabilitationsträger, der seine Zuständigkeit zutreffend bejaht, wird umfassend für die Rehabilitation zuständig. Geht der geltend gemachte Anspruch über den originären Leistungsbereich hinaus, so ist der danach im Innenverhältnis zuständige Leistungsträger beizuladen (BSG Urteil vom 14. 5. 2014, B 11 AL 6/13 R).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, über Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben für die Klägerin neu zu bescheiden.

Die im Juni 1972 geborene Klägerin erlangte im August 1991 das Abitur. Danach aufgenommene Studien brach die Klägerin ohne Abschluss ab, erlangte aber das Vordiplom im Fach BWL. Eine Ausbildung von 2001 bis 2003 schloss sie mit dem Gesellenbrief als Malerin und Lackiererin ab. Nach dem bei ihr zwischenzeitlich ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt war (Bescheid von 2009) ist nunmehr aufgrund des Bescheides des Versorgungsamtes vom 5. Januar 2012 ein GdB von 30 anerkannt.

Die Klägerin bezieht derzeit eine bis zum 31. März 2017 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab 14. September 2009. Daraufhin wurde die Klägerin im Rahmen eines Eingangsverfahrens bei den G Werkstätten aufgenommen. Anschließend wurde sie in dem Berufsbildungsbereich und ab dem 14. Dezember 2011 in den Arbeitsbereich der G Werkstätten aufgenommen. Derzeit ist die Klägerin an zwei Tagen in der Woche auf einem ausgelagerten Einzelarbeitsplatz in einem Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, der I GmbH (im Folgenden: I GmbH), mit insgesamt ca neun Wochenstunden und an drei Tagen in der Woche mit täglich fünf Stunden im werkstatteigenen Keramik-Laden beschäftigt.

Am 19. November 2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Damit hat sie die Durchführung eines Trainings ihrer Belastbarkeit angestrebt, um mehr als fünf bis zu acht Stunden arbeitstäglich erreichen oder ggf eine Umschulung oder Weiterbildung absolvieren zu können. Ihrer Meinung nach sei sie durch ihre derzeitige Tätigkeit bei den G Werkstätten (im Keramik-Laden) unterfordert. Die Bürotätigkeit bei der I GmbH sei auf ca. vier Stunden pro Arbeitstag begrenzt, weil der Arbeitgeber nicht genügend Arbeit habe. Eine Steigerung oder Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit könne dadurch nicht erreicht werden. Sie habe das BTZ T besichtigt; das gefalle ihr.

Mit Bescheid vom 10. März 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin könne durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 24. März 2014 begründete die Klägerin damit, dass sich ihr Gesundheitszustand verbessert habe. Dies zeige sich in der Reduzierung des GdB. Es sei auch auf die bisherigen Leistungen zur Teilhabe zurückzuführen. Eine weitere Steigerung (Training) fördere die Erwerbsfähigkeit. Um eine reale Einschätzung ihres Leistungsvermögens zu ermöglichen, sei eine Vorstellung bei einem Gutachter erwünscht.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf unter drei Stunden täglich gesunken sei, so dass sie erwerbsgemindert sei. Die Erwerbsminderung könne durch die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht beseitigt werden.

Hiergegen hat die Kläger am 28. Mai 2014 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben.

Das Sozialgericht hat die Befundberichte des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. F vom 6. November 2014 und des behandelnden Nervenarztes Dr. M vom 24. Oktober 2014 sowie das schriftl...

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