Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung vertragsärztlicher Leistungen. kein Einbehalt der Praxisgebühr bei der Honorarabrechnung aufgrund versehentlich fehlerhafter Angaben des Vertragsarztes in Berlin ab Januar 2004

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn eine Kassenärztliche Vereinigung aufgrund von nur versehentlich fehlerhaften Angaben des Vertragsarztes in seiner Honoraranforderung zunächst von einer Zuzahlungspflicht ("Praxisgebühr") im Einzelfall ausgeht und der Vertragsarzt diese Angaben im Widerspruchsverfahren richtig stellt, darf der gemäß § 43b Abs 2 S 2 SGB 5 vorgenommene Honorarabzug nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs dies zulassen. Dies war für den in Berlin ab Januar 2004 geltenden Honorarverteilungsmaßstab nicht der Fall.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höheres Honorar für die Quartale I/04 und II/04 in Höhe von insgesamt 910.- Euro.

Im Zusammenhang mit der Einführung der so genannten Praxisgebühr nach § 28 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) führte die Beklagte zu Abrechnungszwecken so genannte Pseudoziffern ein, anhand derer sie darüber entschied, in welchen Behandlungsfällen vom Honorarsanspruch des einzelnen Vertragsarztes ein Abzug wegen des Einbehalts der Praxisgebühr vorzunehmen war. Diese Pseudoziffern hatten im Einzelnen u.a. folgende Bedeutung:

8030   

Erhebung der Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V

8031   

keine Erhebung der Praxisgebühr

8032   

keine Erhebung der Praxisgebühr, da die Befreiung von der Zuzahlung nachgewiesen ist

8033   

keine Erhebung der Praxisgebühr, da eine Quittung über die bereits gezahlte Praxisgebühr vorgelegt und entwertet wurde

8040   

keine Erhebung der Praxisgebühr aus sonstigen Gründen

Im Rahmen der Honorarberechnung für das Quartal I/04 setzte die Beklagte bei der Klägerin wegen des Einbehalts der Praxisgebühr 7.280.- Euro ab und setzte ihr Honorar in Höhe von 29.899,89 Euro fest. Für das Quartal II/04 setzte die Beklagte wegen des Einbehalts der Praxisgebühr 6.730.- Euro ab und setzte das Honorar der Klägerin in Höhe von 29.267,70 Euro fest.

Mit ihren gegen diese beiden Honorarbescheide gerichteten Widersprüchen machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe für 65 Patienten (im Quartal I/04) bzw. 26 Patienten (im Quartal II/04) zu Unrecht die Praxisgebühr einbehalten. Es handele sich um Patienten, die in ihrer Praxis einen Überweisungsschein vorgelegt und daher die Praxisgebühr nicht gezahlt hätten. Bei allen Patienten sei die Abrechnung “per PC mit entsprechendem Vermerk„ erfolgt; die Abrechnungsdiskette liege der Beklagten vor. Für beide Quartale fügte die Klägerin ihrem Widerspruch Kopien der Überweisungsscheine der einzelnen Patienten bei.

Beide Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 zurück und führte unter Auflistung der in den beiden Quartalen jeweils betroffenen Behandlungsfälle zur Begründung unter anderem aus: Von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei für die Umsetzung die Praxisgebühr im Hinblick auf die Quartalsabrechnungen der Vertragsärzte ein Katalog mit Pseudoziffern herausgegeben worden, welcher sowohl von den Kassenärztlichen Vereinigungen als auch von den Vertragsärzten ab dem 1. Januar 2004 zu berücksichtigen sei. Die Beklagte habe diese Pseudoziffern einschließlich der erfolgten Aktualisierung jeweils über Rundschreiben an alle Berliner Vertragsärzte termingerecht bekannt gegeben. Es sei unabdingbar, dass der Leistungserbringer die Behandlungsfälle, in denen Patienten auf Überweisung eines anderen Arztes in seine Praxis kommen, auch entsprechend als Mit- bzw. Weiterbehandlung kennzeichnen. Durch diese Eintragung ändere sich auf den abzurechnenden Behandlungsscheinen das Scheinkennzeichen von “A„ (ambulante kurative Behandlung) in “M„ (Mit- und Weiterbehandlung). Während die Pseudoziffern 8030 und 8031 ausschließlich von der Beklagten auf den zur Abrechnung eingereichten Behandlungsscheinen zugesetzt worden sei, seien die Pseudonummern 8032 bis 8046 nur vom Vertragsarzt und nur bei Vorliegen von Befreiungstatbeständen bzw. bei nicht erfolgreichem Einzug der Praxisgebühr sowie dem Entstehen von Portokosten hinsichtlich der Zuzahlungspflicht der Versicherten auf den abzurechnenden Originalscheinen als Kennzeichnung einzutragen gewesen. Sofern bei der Quartalsabrechnung in keiner Weise Befreiungstatbestände bzw. erfolglose Einziehungsversuche auf den eingereichten Behandlungsscheinen erkennbar seien, müsse die Beklagte davon ausgehen, dass es sich bei den zur Abrechnung eingereichten Fällen jeweils um Versicherte handele, die ohne Einschränkung die Praxisgebühr zu zahlen und gezahlt hätten. Da die Festsetzung der Honorarhöhe aufgrund der von der Klägerin eingereichten Abrechnungsdaten erfolgen könne und sie auch mit der Ang...

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