Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung vertragsärztlicher Leistungen. kein Einbehalt der Praxisgebühr bei der Honorarabrechnung aufgrund versehentlich fehlerhafter Angaben des Vertragsarztes in Berlin ab Januar 2004

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn eine Kassenärztliche Vereinigung aufgrund von nur versehentlich fehlerhaften Angaben des Vertragsarztes in seiner Honoraranforderung zunächst von einer Zuzahlungspflicht ("Praxisgebühr") im Einzelfall ausgeht und der Vertragsarzt diese Angaben im Widerspruchsverfahren richtig stellt, darf der gemäß § 43b Abs 2 S 2 SGB 5 vorgenommene Honorarabzug nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs dies zulassen. Dies war für den in Berlin ab Januar 2004 geltenden Honorarverteilungsmaßstab nicht der Fall.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höheres Honorar für das Quartal I/04 in Höhe von insgesamt 5.330.- Euro.

Im Zusammenhang mit der Einführung der so genannten Praxisgebühr nach § 28 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) führte die Beklagte zu Abrechnungszwecken so genannte Pseudoziffern ein, anhand derer sie darüber entschied, in welchen Behandlungsfällen vom Honorarsanspruch des einzelnen Vertragsarztes ein Abzug wegen des Einbehalts der Praxisgebühr vorzunehmen war. Diese Pseudoziffern hatten im Einzelnen u.a. folgende Bedeutung:

8030 Erhebung der Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V

8031 keine Erhebung der Praxisgebühr

8032 keine Erhebung der Praxisgebühr, da die Befreiung von der Zuzahlung nachgewiesen ist

8033 keine Erhebung der Praxisgebühr, da eine Quittung über die bereits gezahlte Praxisgebühr vorgelegt und entwertet wurde

8040 keine Erhebung der Praxisgebühr aus sonstigen Gründen

Die Klägerin nimmt als Fachärztin für HNO in B-S an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Rahmen der Honorarberechnung für das Quartal I/04 setzte die Beklagte bei der Klägerin wegen des Einbehalts der Praxisgebühr 7.380.- Euro ab und setzte ihr Honorar in Höhe von 32.775,07 Euro fest.

Am 21. September 2004 legte die Klägerin Widerspruch ein und kennzeichnete auf einer am 20. Dezember 2004 bei der Beklagten eingegangenen Liste mit 738 Behandlungsfällen des strittigen Quartals die Patienten, für die die beigefügten Überweisungsscheine nach ihrer Darstellung vorlag. Die Klägerin machte geltend, sie sei von einer Mitarbeiterin der Beklagten (Frau M) nach der Bearbeitung ihrer Honorarabrechnung für das Quartal II/04 telefonisch darauf hingewiesen worden, dass durch die unstrittig fehlerhafte Scheinkennzeichnung in der klägerischen Praxis der Eindruck entstanden sei, alle Behandlungsfälle seien als Originalschein angelegt gewesen. Sie habe umgehend eine korrigierte Abrechnung für das Quartal II/04 eingereicht, welche von der Beklagten berücksichtigt worden sei. Für das streitige Quartal habe ihr Frau M allerdings mitgeteilt, dass eine Korrektur der Abrechnung nicht mehr möglich sei, sie - die Klägerin - möge Widerspruch gegen die Honorarfestsetzung einlegen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005 zurück und führte zur Begründung unter anderem aus: Von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei für die Umsetzung die Praxisgebühr im Hinblick auf die Quartalsabrechnungen der Vertragsärzte ein Katalog mit Pseudoziffern herausgegeben worden, welcher sowohl von den Kassenärztlichen Vereinigungen als auch von den Vertragsärzten ab dem 1. Januar 2004 zu berücksichtigen sei. Die Beklagte habe diese Pseudoziffern einschließlich der erfolgten Aktualisierung jeweils über Rundschreiben an alle Berliner Vertragsärzte termingerecht bekannt gegeben. Es sei unabdingbar, dass der Leistungserbringer die Behandlungsfälle, in denen Patienten auf Überweisung eines anderen Arztes in seine Praxis kommen, auch entsprechend als Mit- bzw. Weiterbehandlung kennzeichnen. Durch diese Eintragung ändere sich auf den abzurechnenden Behandlungsscheinen das Scheinkennzeichen von “A„ (ambulante kurative Behandlung) in “M„ (Mit- und Weiterbehandlung). Während die Pseudoziffern 8030 und 8031 ausschließlich von der Beklagten auf den zur Abrechnung eingereichten Behandlungsscheinen zugesetzt worden sei, seien die Pseudonummern 8032 bis 8046 nur vom Vertragsarzt und nur bei Vorliegen von Befreiungstatbeständen bzw. bei nicht erfolgreichem Einzug der Praxisgebühr sowie dem Entstehen von Portokosten hinsichtlich der Zuzahlungspflicht der Versicherten auf den abzurechnenden Originalschein als Kennzeichnung einzutragen gewesen. Sofern bei der Quartalsabrechnung in keiner Weise Befreiungstatbestände bzw. erfolglose Einziehungsversuche auf den eingereichten Behandlungsscheinen erkennbar seien, müsse die Beklagte davon ausgehen, dass es sich bei denen zur Abrechnung eingereichten Fällen jeweils um Versicherte handele, die ohne Einsch...

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