Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Berliner Mietspiegel 2005 und 2007. Angemessenheitsgrenze für Ein-Personen-Haushalt in Berlin. Bruttokaltmiete. Heizkosten. Größe der Wohnung. Durchschnittswerte der Betriebskosten. Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze für Erwachsene

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der angemessene Umfang der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft iS von § 22 SGB 2 ist unabhängig von den Heizkosten zu bestimmen und bezieht sich auf eine Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete und kalte Betriebskosten). Die Heizkosten sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeit in vollem Umfang abhängig von der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu übernehmen.

2. Die Angemessenheit der Nettokaltmiete richtet sich nach der im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße und nach dem qualifizierten Mietspiegel des jeweiligen Wohnortes. Die Richtlinien für die Förderung von eigengenutztem Wohnungseigentum sind keine maßgebliche Orientierungsgröße. Es ist vielmehr in Berlin auf die früheren Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau abzustellen, bei denen zuletzt Bauprojekte für 1,5 Zimmer-Wohnungen mit einer maximalen Wohnfläche von 45 qm gefördert wurden.

3. Maßgeblich für die Berechnung ist der jeweils zur Verfügung stehende Mietspiegel, auch wenn dieser auf in den Vorjahren erhobenen Daten basiert. Denn Grundlage für die Beurteilung der maßgeblichen Nettokaltmiete kann stets nur ein in dem fraglichen Zeitraum bereits veröffentlichter Mietspiegel sein. Anderenfalls müsste regelmäßig nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels für die Vorjahre eine umfassende Überprüfung der für die Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen erfolgen.

4. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises ist ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen Mittelwerten einer Zeile zu bilden. Weder erscheinen nur einzelne der im Wesentlichen nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich, noch sind innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend anzusehen (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 24.4.2009 - L 32 AS 923/07).

5. Zur Bestimmung der kalten Betriebskosten ist auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel und nicht auf den 4/5 Spannen-Oberwert der im Mietspiegel enthaltenen Betriebskostenübersicht (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 4.4.2008 - L 32 B 458/08 AS ER - sowie vom 9.12.2008 - L 32 B 2223/08 AS ER) zurückzugreifen.

6. Es ist daran festzuhalten, dass die Höhe der Regelleistungen für alleinstehende Erwachsene verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2008 (S 87 AS 10154/06) und gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2007 (S 100 AS 27229/07) werden zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Es geht um die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 01. April 2007, die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelsatzes für die Zeit ab 01. März 2007, einen Zuschuss zu Kosten für Schönheitsreparaturen und - hilfsweise - um einen Zuschuss zu Wohnungsbeschaffungskosten.

Der 1964 geborene Kläger steht seit Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II, vorher bezog er Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Seit Februar 2002 bewohnt er unter der sich aus dem Rubrum ergebenden Anschrift eine Zweizimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 59,75 m². Die Wohnung wird zentral mit Warmwasser versorgt. Nach dem im Dezember 2001 unterschriebenen Mietvertrag betrug die monatliche Nettokaltmiete zunächst 342,57 €, hinzu kamen monatliche Vorauszahlungen für die kalten Betriebskosten in Höhe von 56,24 € und die warmen Betriebskosten in Höhe von 46,02 €. Ab 1. Januar 2003 waren bei unveränderter Grundmiete Vorauszahlungen für die warmen Betriebskosten in Höhe von 50 € monatlich und für die kalten Betriebskosten in Höhe von 60 € monatlich zu erbringen - also eine monatliche Bruttowarmmiete (einschließlich der Kosten für die Warmwasseraufbereitung) von 452,57 € zu zahlen; diese Beträge galten auch im streitgegenständlichen Zeitraum.

Der Beklagte gewährte zunächst ab Januar 2005 unter Hinweis auf frühere Schreiben des Bezirksamtes zur Unangemessenheit der Höhe der Unterkunftskosten nur einen Betrag von 351,25 € (unter Berücksichtigung eines Abzugs für die Warmwasseraufbereitung) für die KdU insgesamt. Das Sozialgericht Berlin verurteilte mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Juni 2005 den Beklagten zur Tragung der Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe abzüglich einer Warmwasserpauschale. Der Beklagte bewilligte daraufhin Leistungen für die KdU in Höhe von monatlich 443,57 € (...

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