Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Haushalts- bzw Wohngemeinschaft. Angemessenheitsgrenze für 2-Personen-Haushalt in Berlin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bilden mehrere Personen eine Haushaltsgemeinschaft oder eine Wohngemeinschaft, ohne eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB 2 zu sein, bemessen sich die angemessenen Unterkunftskosten, auf deren Höhe die Behörde die Leistungen beschränken darf und muss iS des § 22 Abs 1 S 1, 3 SGB 2, im Regelfall nach den Kosten, die entstehen würden, wenn der Leistungsempfänger alleine wohnen würde. Denn eine solche Gemeinschaft hat regelmäßig nicht die Obliegenheit, sich gemeinsam eine billigere Wohnung zu suchen.

2. In Berlin sind Unterkunftskosten jedenfalls für Bewilligungszeiträume ab Juli 2008 in Anwendung des Berliner Mietspiegels 2007 für einen 2-Personen-Haushalt in Höhe von 693,60 Euro abzüglich Warmwasserpauschale(n) im obigen Sinne noch angemessen, solange der Leistungsträger dem/den Leistungsempfänger nicht eine ganz konkrete Mietvertragsabschlussmöglichkeit mit günstigerer Miete nachweist.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2008 wird geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für den Monat Dezember 2008 insgesamt 704,91 € Arbeitslosengeld II (Regelsatz 351,-- € sowie 353,91 € Kosten der Unterkunft) zu leisten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragsstellerin die ihr entstandenen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Zum Sachverhalt und zur Darstellung der Rechtslage verweist der Senat zunächst gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts (SG).

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte allerdings nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats; siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz stellt nämlich insbesondere dann besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist.

Hier besteht nach der alleine möglichen summarischen Prüfung jedoch bereits ein Anordnungsanspruch.

Es spricht viel dafür, dass der Antragstellerin die geltend gemachten Kosten für Unterkunft zustehen:

Bilden mehrere Personen eine Haushaltsgemeinschaft oder eine Wohngemeinschaft, ohne eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) zu sein, bemessen sich die angemessenen Unterkunftskosten, auf deren Höhe die Behörde die Leistungen beschränken darf und muss im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1, 3 SGB II, nach den Kosten, die entstehen würden, wenn der Leistungsempfänger alleine wohnen würde:

Zur Frage, welche Kosten angemessen i. S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, hat der Senat bereits wiederholt in Eilverfahren Stellung genommen (vgl. z.B. Beschluss vom 4. April 2008 - L 32 B 458/08 AS ER -). Diese sind nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7. Juni 2005 (ABl. 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist bisher nicht ergangen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; u.a. Urteil vom 7. November 2006 (- B 7 b AS 10/06 R -, RdNr 24) eine Einzelfallprüfung voraus.

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