Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Nachtanken

 

Orientierungssatz

Das Auftanken eines zur Fahrt nach oder von dem Ort der Tätigkeit benutzten Kraftfahrzeuges ist grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen. Eine andere rechtliche Beurteilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Nachtanken während der Fahrt zur restlichen Weiterfahrt unvorhergesehen notwendig wird (Unvorhersehbarkeit des höheren Kraftstoffverbrauchs etwa durch Stau oder Umleitung). Das Aufleuchten der Reservetankleuchte ist dagegen als gewöhnlicher, nicht in den Risiken des Heimwegs angelegter und damit nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallender Tatbestand zu werten.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Die 1949 geborene Klägerin war als Angestellte beim Bezirksamt, beschäftigt. Als sie am 16. Februar 2007 von ihrer Arbeitsstelle mit dem eigenen Pkw zu sich nach Hause nach E fahren wollte, blinkte ihren eigenen Angaben zufolge die Reservetankanzeige auf. Sie suchte mit dem Pkw die Tankstelle in der Hstraße auf und tankte dort 7,98 Liter Kraftstoff für 10,05 €. Als sie den Kraftstoff bezahlen und hierzu das Tankstellengeschäft betreten wollte, stolperte sie und zog sich hierdurch eine subcapitale Humeruskopffraktur rechts zu, welche operativ behandelt wurde.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16. mai 2007 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil der direkte versicherte Weg von der Dienststelle nach Hause durch das Tanken unterbrochen worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin am 24. Mai 2007 Widerspruch, welchen sie mit Schriftsatz vom 19. Juni 2007 dahingehend begründete, gezwungen gewesen zu sein zu tanken, um den Heimweg mit dem Pkw zurücklegen zu können. Die Tatsache, dass sie lediglich eine geringe Kraftstoffmenge getankt habe, schließe das Tanken als eigenwirtschaftliche Tätigkeit aus. Aufgrund ihrer Vorerkrankung (Mamma-Karzinom) und der medizinischen Nachbehandlungen bzw. Therapien habe sie vom Arbeitgeber eine Sonderparkgenehmigung für den dienststellennahen Parkraum erhalten, weil sie aus gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen sei, Wege nach oder von dem Ort ihrer versicherten Tätigkeit mit dem Pkw zurückzulegen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2007 zurück. Selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen würde, dass für sie am Unfalltag das Nachtanken während der Fahrt von der Arbeit zur Wohnung unvorhergesehen notwendig geworden sei, weil sie für die Fortsetzung des Arbeitsheimweges erstmals den Inhalt des Reservetanks hätte in Anspruch nehmen müssen, fehle es an der Tatsache, dass die Betankung des Pkw unerwartet erforderlich geworden wäre. Denn bei angemessener Sorgfalt hätte sie sich schon im eigenen Interesse vor Antritt der Fahrt zur Arbeitsstätte vergewissern müssen, ob der vorhandene Kraftstoff noch ausreichend gewesen sei, um zur Arbeit und zurück zu gelangen.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 20. September 2007 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat an ihrem bisherigen Vorbringen festgehalten und ist der Meinung gewesen, dass sie beim Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Die von der Beklagten eingeforderte Sorgfaltspflicht sei überzogen. Die Tankstelle in der Hstraße sei die nächstgelegene Tankstelle gewesen. Sie hat darauf verwiesen, dass grundsätzlich ihr Ehemann für das Betanken des Pkw zuständig sei und den Pkw so betankt habe, dass der Kraftstoff grundsätzlich für eine Woche gereicht habe. Auf der Hinfahrt zur Dienststelle habe die Reservetankanzeige noch nicht geleuchtet. Sie habe für nur 10,05 € getankt, weil sie nicht mehr Bargeld dabei gehabt habe. Sie habe nur so viel tanken wollen, dass sie würde nach Hause kommen können. Die Beklagte ist der Klage im Wesentlichen mit ihrem vorprozessualen Vorbringen entgegen getreten.

Das SG hat mit Urteil vom 26. Mai 2011 unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2007 festgestellt, dass das Ereignis vom 16. Februar 2007 ein Arbeitsunfall war. Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei zwar das Auftanken eines zur Fahrt nach und von dem Ort der Tätigkeit benutzten Fahrzeugs grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzuordnen. Eine andere rechtliche Beurteilung sei hier allerdings gerechtfertigt, weil das Nachtanken während der Fahrt von der Arbeitsstätte unvorhergesehen notwendig geworden sei, damit der restliche Weg habe zurückgelegt werden können. Als brauchbarer Anh...

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