Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit des § 74 S 4 SGB 6. kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch Zuordnung der Kindererziehungszeit zu lediglich einem Elternteil trotz gemeinsamer Erziehung

 

Orientierungssatz

1. § 74 S 4 SGB 6 ist nicht verfassungswidrig.

2. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, dass Erziehungszeiten trotz gemeinsamer Erziehung nur einem Elternteil zugesprochen werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.06.2022; Aktenzeichen B 5 R 71/22 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. September 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine höhere Regelaltersrente ab 1. August 2014.

Der 1949 geborene Kläger beantragte im Jahr 2006 die hälftige Erstattung der für ihn eingezahlten Rentenversicherungsleistungen, was die Beklagte mit Bescheid vom 28. September 2006 ablehnte. Im Versicherungskonto seien 180 Monate mit Beitragszeiten vorhanden, ein Rentenanspruch erworben und die Beitragserstattung nicht möglich.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2010 (Vormerkungsbescheid, § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI)) stellte die Beklagte die folgenden Daten des Versicherungsverlaufs des Klägers bis 31. Dezember 2003 verbindlich fest.

- April 1965 bis September 1968: Pflichtbeitragszeit (berufliche Ausbildung)

- Oktober 1968 bis März 1971: Pflichtbeitragszeit

- April 1971 bis 13. Juli 1973: Hochschulausbildung

- Oktober 1973 bis September 1979: Pflichtbeitragszeit (ohne die Zeit vom 1. bis zum 15. Juli 1979)

- Oktober 1979 bis Mai 1985: Hochschulausbildung

- November 1985 bis 29. Juli 1988: Hochschulausbildung

- November 1988 bis 25. Juli 1991: Pflichtbeitragszeit (Nachversicherung)

- Januar bis März 2003: Freiwillige Beitragszeit

Der Kläger widersprach. Von April 1971 bis Juli 1973 habe er eine Fachhochschulausbildung und keine Hochschulausbildung absolviert. Zudem seien von Oktober 1979 bis Juli 1988 insgesamt 156 Monate zu berücksichtigen und nicht 68. Diesen Widerspruch hat der Kläger nach einem Informationsschreiben der Beklagten aus dem Juli 2011 zu den Erfolgsaussichten des Widerspruchs nicht mehr weiterverfolgt.

Die Beklagte gewährte dem Kläger auf seinen Antrag mit Bescheid vom 13. November 2014 ab 1. August 2014 Regelaltersrente. Sie zahlte ab 1. Januar 2015 monatlich 415,19 Euro (davon 28,25 Euro Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag und 386,94 Euro Rente) und für die fünf Monate im Jahr 2014 zahlte sie 2.075,95 Euro nach. Dies beruhte auf den oben festgestellten Daten mit Ausnahme der Zeit von November 1985 bis 29. Juli 1988. Daraus errechnete die Beklagte 13,5246 Entgeltpunkte für 180 Monate Beitragszeit, davon 13,1244 Entgeltpunkte für 180 Monate mit Beitragszeiten (Anlage 1 zum Bescheid vom 13. November 2014) und weitere 0,4002 zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten (36 Monate Berufsausbildung).

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Ihm stünden mehr als 13,5246 Entgeltpunkte zu. Es seien für Schul- und Hochschulausbildung (mehr) Entgeltpunkte zu berücksichtigen, außerdem Pflichtbeiträge für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 und Erziehungsleistungen für seine beiden Kinder J und M L als Rentenleistung anzuerkennen. Außerdem seien Leistungen zur Krankenkasse der 1993 und 1995 geborenen Kinder zu gewähren. Der Rentenbescheid sei zu unbestimmt. Auch die Mitteilungs- und -wirkungspflichten seien zu unbestimmt. Er sei gegenüber Beamten ungerechtfertigt benachteiligt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2015 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 20. Juli 2015 zu dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Der Rentenbescheid sei zu unbestimmt. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit Pflichtbeiträge nicht anerkannt wurden. Jedenfalls habe er von 1979 bis 1988 Pflichtbeiträge geleistet. Ihm stünden mehr als 13,5246 Entgeltpunkte zu. Soweit Ausbildungszeiten nicht oder nur teilweise berücksichtigt seien, sei der Bescheid fehlerhaft und rechtswidrig. Insbesondere sei er kein Dauerstudent gewesen. Es seien für seine beiden Kinder jeweils 12 Jahre Erziehungszeiten zuzubilligen. Der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung sei zu niedrig bemessen, nämlich so, als ob er Arbeitnehmer gewesen wäre. Er sei aber den Beamten gleichzustellen. Wie einem Beamten sei auch ihm ein Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung seiner studierenden Kinder zuzubilligen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. September 2018 abgewiesen. Die Anrechnung der Ausbildungszeiten durch die Beklagte beruhe auf § 58 Abs. 1 SGB VI und sei richtig. Die zum 1. Januar 2009 eingeführte Regelung des § 74 Satz 4 SGB VI zur Anrechnung der schulischen Ausbildungszeiten sei verfassungsgemäß, auch soweit darin eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Ausbildungszeiten liege. Die Aufhebung des Vorme...

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