Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. wettbewerbswidriges Handeln bei Mitgliedergewinnung. Zulässigkeit des Rechtswegs zur Sozialgerichtsbarkeit. Rechtsbeziehungen der Krankenkassen untereinander. Nichtanwendung des UWG (juris: UWG 2004). kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Krankenkassen handeln wettbewerbswidrig, wenn sie um Versicherte konkurrieren, indem sie diesen Rabatte und Vorteile bei dem Bezug von Leistungen in Aussicht stellen, die außerhalb des gesetzlichen Leistungsspektrums der GKV stehen.

 

Orientierungssatz

1. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn ein Verstoß gegen die besonderen gerade die Krankenkassen nach dem SGB 5 treffenden Verpflichtungen geltend gemacht wird.

2. Der staatliche Gesetzgeber darf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen untereinander gleichwohl von dem Anwendungsbereich des UWG (juris: UWG 2004) ausnehmen und abweichenden sozialrechtlichen Regelungen unterwerfen, ohne damit gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (juris: EGRL 29/2005) zu verstoßen und ihre Umsetzung in Frage zu stellen.

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten und des Klägers zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2012 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu sechs Siebteln und der Kläger zu 1) zu einem Siebtel zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Werbemaßnahmen.

Die Beklagte warb im Jahr 2011 in ihrem Internetportal mit Vorteilspartnern, die ihre Produkte und Dienstleistungen den “Kunden„ der Beklagten mit Rabatten oder zu Vorteilskonditionen anboten. Das betraf die Leistungen einer Gärtnerei, reduzierte Führungen durch die Bavaria-Filmstadt, die Leistungen eines Reiseveranstalters, einer Finanzberatung, einer Sparkasse, einer Textilreinigung, die Angebote eines Schrotthändlers, einer Metzgerei, eines Malereibetriebs, eines Heizungs-Sanitärbetriebs, eines Anbieters von Telekommunikationsleistungen, eines Gerüstbauers, eines Fotogeschäfts, einer Fahrschule, eines Elektrogeschäfts, eines Computerdienstes und eines Bosch-Services.

Der Kläger zu 1) mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Mai 2011 ab und wies darauf hin, dass eine Werbung ohne Gesundheitsbezug zu Lasten der Mitbewerber gehe und wettbewerbswidrig sei. Er forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Das lehnte die Beklagte durch Schreiben vom 23. Mai 2011 ab. Sie halte Hinweise auf Vorteilsangebote nicht für wettbewerbswidrig. Allerdings sei sie bereit, ihre Angebotspalette sukzessive zu bereinigen.

Mit der am 9. Juni 2011 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger zu 1) begehrt, dass der Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes die Fortsetzung der Werbemaßnahmen untersagt werde. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 hat der Kläger zu 1) dem Sozialgericht eine aktualisierte Fassung des Internetauftritts der Beklagten vorgelegt, wonach diese nunmehr mit Vorteilen für ihre “Kunden„ warb bei einem Händler von Lastenfahrrädern, einem Händler von Bettwaren, einem Baby- und Kinderhaus, einem Betten- und Einrichtungshaus, der Bergbahn, der Sommerrodelbahn, einem Ergohaus für Planen und Einrichten von Büro und Labor, einem “Trendstore„ für Bekleidung, einem Möbelhaus, einem Lederwarengeschäft, einem weiteren “Trend-Store„, einem Anbieter von Bürotechnik, einer Fahrschule, einem Frisör, einem “büro forum - planen und einrichten„, dem “Bench Store Rosenheim„, einem Anbieter von “Windeln und mehr„, dem “S Port Five Board + Streetwearshop„, einem Geschäft für Sport und Jeans, einem Auto-Center und einer Textilreinigung.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2012 sind die Klägerinnen zu 2) bis 7) dem Rechtsstreit beigetreten, womit sich die Beklagte einverstanden erklärt hat.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 10. August 2012 die Klage des Klägers zu 1) als unzulässig abgewiesen und im Übrigen die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,- € je Zuwiderhandlung verurteilt zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr damit zu werben, dass Versicherte der Beklagten bei Dritten Rabatte oder Sonderkonditionen für Produkte und Dienstleistungen erhalten, soweit es sich nicht um Produkte und Dienstleistungen handelt, die einen Gesundheitsbezug aufweisen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger zu 1) als Verband nicht in eigenen Rechten verletzt sei, da er mit der Beklagten nicht im Wettbewerb stehe. Es seien auch keine Vertragsgestaltungsinteressen entsprechend § 212 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - berührt. Eine Verbandsklage zur Wahrung fremder Interessen sei im vorliegenden Fall unzulässig, da si...

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