Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erbschaft. Miterbe in Erbengemeinschaft. Eintritt des Erbfalls während Leistungsbezug. Hausgrundstück. keine bereiten Mittel. Gesamtrechtsnachfolge. Erbauseinandersetzung. fehlende Verwertungsbemühungen. Hinweis- und Beratungspflichten des Grundsicherungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der wertmäßige Zuwachs mindert im Fall einer Erbschaft erst dann den Bedarf, wenn die Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung steht. Dies ist bei der Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft regelmäßig erst mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens der Fall. Der Hilfesuchende darf wegen seines gegenwärtigen Bedarfs nicht auf Mittel verwiesen werden, die ihm erst in der Zukunft tatsächlich zur Verfügung stehen.

2. Unterlässt der Miterbe Verwertungsbemühungen, ist die Rechtsprechung des BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 16/16 R - juris zu § 9 Abs 4, § 24 Abs 5 SGB II für die Frage, ob Einkommen als bereites Mittel zur Verfügung steht, nicht ohne weiteres anwendbar.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 13. August 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil bleibt hiervon unberührt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. November 2015.

Die 1963 geborene Klägerin zu 1. und der 1960 geborene Kläger zu 3. lebten im streitigen Zeitraum zusammen mit ihrer Tochter, der 2001 geborenen Klägerin zu 2. die Bedarfsgemeinschaft bezog bereits seit mehreren Jahren Alg II. Sie lebten in einem Einfamilienhaus, das zunächst im jeweils hälftigen Eigentum der Vater und der Mutter der Klägerin zu 1. stand. Die Eltern der Klägerin zu 1. bewohnten die untere, die Kläger die obere Etage. Die Kläger zahlten hierfür eine Nettokaltmiete von monatlich 270,- Euro zuzüglich Nebenkosten.

Am 14. Mai 2015 und damit während des Bezugs von Alg II durch die Kläger starb die Mutter der Klägerin zu 1. Sie wurde gesetzlich von dem Vater der Klägerin zu 1. zur Hälfte sowie von der Klägerin zu 1. und ihrer Schwester je zu einem Viertel beerbt. Über den Tod ihrer Mutter setzte die Klägerin zu 1. den Beklagten erst anlässlich des Folgeantrages im September 2015 in Kenntnis. Auf Aufforderung des Beklagten gab sie eine Erklärung zum Nachlass ab. Hierzu gab sie Beerdigungskosten in Höhe von 3.315,28 Euro und noch zu begleichende Kosten der Krankenpflege in Höhe von 31,38 Euro an. Gegenstand des Nachlasses seien ein Guthaben auf einem Girokonto in Höhe von 621,48 Euro und das Einfamilienhaus.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 lehnte der Beklagte Alg II als Zuschuss für den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. April 2016 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab und gewährte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in entsprechender Anwendung von § 24 Abs. 5 SGB II als Darlehen in Höhe von monatlich 838,- Euro für alle Kläger (nur Regelleistungen, hinsichtlich der Klägerin zu 2. abzüglich Kindergeld in Höhe von 184,- Euro). Gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2015 legten die Kläger Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 5. November 2015 änderte der Beklagte das Darlehen für den genannten Zeitraum ab. Neben den Regelleistungen berücksichtigte er als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für Oktober anteilige Heizkosten je Kläger in Höhe von 526,84 Euro und für November eine Nachzahlung für die Wasserversorgung in Höhe von jeweils 22,51 Euro. Als Einkommen berücksichtigte er Kindergeld in Höhe von 184,- Euro für die Klägerin zu 2. Im November 2015 reichten die Kläger eine Heizölrechnung vom 27. Oktober 2015 in Höhe von 1.841,17 Euro bei dem Beklagten ein.

Der Gutachterausschuss des Beklagten teilte nach einer Außenbesichtigung eine überschlägige Wertangabe für das Grundstück in Höhe von 76.100,- Euro mit.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 änderte der Beklagte die Darlehenshöhe ab Januar 2016. Auch gegen die Bescheide des Beklagten vom 5. November 2015 und vom 1. Dezember 2015 legten die Kläger jeweils Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. Leistungen zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung und zwar für die Monate Oktober und November in Höhe von 140,81 Euro (Krankenversicherung) und 22,21 Euro (Pflegeversicherung). Auch dem Kläger zu 3. bewilligte der Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, dies allerdings erst für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 (Bescheid vom 11. Februar 2016). Auch gegen die genannten Bescheide vom 14. Januar 2016 und vom 11. Februar 2016 erhoben die Kläger Widerspruch.

Mit Bescheiden vom 11. März 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis zum 30. April 2016 Alg II als Zuschuss. Für die Monate...

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