Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Anforderungen im Hinblick auf die Richtigkeit öffentlicher Bewertungen und Daten

 

Orientierungssatz

1. Zum Anspruch des Betreibers eines Pflegedienstes auf vorläufige Unterlassung der Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs 1a SGB 11 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

2. Angesichts der Grundrechtsbetroffenheit bei marktsteuernden Veröffentlichungen und der dabei bestehenden öffentlichen Interessen sind bei der Forderung auf Richtigkeit der veröffentlichten Daten und Bewertungen keine großzügigen Maßstäbe anzulegen. Es ist für die Zulässigkeit öffentlicher Bewertungen nicht ausreichend, dass keine groben Fehler oder Bewertungsmängel bzw keine schwerwiegenden Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben vorliegen (entgegen LSG Chemnitz vom 24.2.2010 - L 1 P 1/10 B ER = PKR 2010, 25).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Februar 2010 geändert und den Antragsgegnern untersagt, den Text des Transparenzberichtes zur Einrichtung der Antragstellerin in der am 17. November 2009 übermittelten Fassung bis zum Ablauf des 30. September 2010, längstens bis zur Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache oder bis zu einem anderen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu veröffentlichen.

Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Kosten des gesamten Rechtsstreites zu tragen.

Der Streitwert wird jeweils für das Verfahren vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs 1a SGB XI.

Die Antragstellerin betreibt einen Pflegedienst und erbrachte im Oktober 2009 ambulante Pflegeleistungen für 109 Personen. Der MDK führte bei der Antragstellerin am 22. Oktober 2009 eine Qualitätsprüfung durch. Es wurden dabei die Leistungen für 5 Pflegekunden überprüft. Am 17. November 2009 wurde der Antragstellerin auf elektronischem Wege im Auftrag der Antragsgegner der auf Grundlage der MDK-Prüfung erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt.

Dabei erhielt die Antragstellerin folgende Bewertungen.

1.) Qualitätsbereich 1 pflegerische Leistungen

Note 5,0 mangelhaft

2.) Qualitätsbereich 2 ärztlich verordnete Leistungen

Note 2,3 gut

3.) Qualitätsbereich 3 Dienstleistung und Organisation

Note 1,0 sehr gut

4.) Gesamtergebnis

Note 3,2 befriedigend

5.) Befragung der Bewohner

Note 1,0 sehr gut.

Der Antragstellerin wurde weiter mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Transparenzbericht spätestens 28 Tage nach dem ersten Entwurf zu veröffentlichen. Ihr wurde eingeräumt, dass sie einen Kommentar mit maximal 3000 Zeichen (incl. Leerzeichen) abgeben könne.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichtes in der vorliegenden Form. Insbesondere die Bewertungen für die Qualitätsbereich 1 und 2, aber auch die Gesamtnote seien unzutreffend. Dies liege einerseits an der objektiven Falschbeantwortung von Einzelfragen und andererseits an der Fehlinterpretation der Ausfüllanleitung durch die Prüfer. Durch die Veröffentlichung des fehlerhaften Transparenzberichts sei zumindest eine erhebliche Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes der Antragstellerin zu befürchten und würde in die Berufsausübungsfreiheit unzulässig eingegriffen.

Das Sozialgericht Potsdam hat durch Beschluss vom 23. Februar 2010 den Antragsgegnern untersagt, den Text des Transparenzberichtes bis zum Ablauf des 31. März 2010 zu veröffentlichen, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Bis Ende März 2010 könne die Antragsstellerin mit den Antragsgegnern ein Klärung herbeizuführen und habe die Möglichkeit eine Wiederholungsprüfung nach § 114 Abs 5 SGB XI zu beantragen und durchführen zu lassen. Im Übrigen müsse sich aber die Antragstellerin eine Kritik an ihren Leistungen in der Öffentlichkeit gefallen lassen. Sinn und Zweck des Verfahrens zur Veröffentlichung der Transparenzberichte sei die Information der Verbraucher. Nur dann, wenn die Veröffentlichung des Transparenzberichtes unter Verstoß gegen das in § 115 Abs 1a SGB XI i V m der Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) geregelte Verfahren erfolgen würde, läge eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit vor. Die Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden Verstoßes, wie offensichtliche oder bewusste Verzerrungen, die Behauptung unwahrer Tatsachen oder willkürliches Vorgehen, sei vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Die Bewertung überschreite die Grenzen der Beurteilungsfreiheit nicht. Die Antragstellerin habe auch hinreichend Gelegenheit, sich im Verfahren rechtliches Gehör zu verschaffen und entsprechende Gegendarstellungen abzugeben.

Die Antragstellerin begründet ...

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