Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde bei höchstrichterlich bereits geklärter Rechtsfrage

 

Orientierungssatz

1. Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn sich die Beantwortung der gegenständlichen Rechtsfrage bereits aus dem Gesetz bzw. aus höchstrichterlicher Rechtsprechung auch anderer als des BSG oberster Bundesgerichte ergibt.

2. Darauf, ob das BSG die aufgeworfene Rechtsfrage bereits ausdrücklich entschieden hat, kommt es nicht an, soweit sich in Bezug auf die sich stellende Rechtsfrage ausreichende Anhaltspunkte aus höchstrichterlichen Entscheidungen oberster Bundesgerichte dafür ergeben, wie diese zu beantworten ist (BSG Beschluss vom 11. 5. 2010, B 13 R 589/09 R).

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des Beklagten ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

Das Rechtsmittel der Berufung, das nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorliegend ausgeschlossen ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- € nicht übersteigt - im Streit steht ein Anspruch auf Freistellung der Klägerin vom Vergütungsanspruch ihres Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 198,33 € -, ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Die in den Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift normierten Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Sie wirft eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, nicht auf. Soweit der Beklagte die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die Aufrechnungserklärung des Jobcenters im Rahmen eines Kostenerstattungsverfahrens gemäß § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) - mit einer Erstattungsforderung, welche dem Jobcenter gegenüber einer leistungsberechtigten Person zusteht, in entsprechender Höhe zum Erlöschen des Kostenerstattungsanspruchs führe, weil sich zwei gleichartige Forderungen gegenüber ständen, wenn ein Widerspruchsführer einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Widerspruchsverfahren beauftragt und das Jobcenter mit seiner Kostenentscheidung die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erklärt habe, kann im Hinblick auf die mit der im Verwaltungsverfahren erteilten Vollmacht vom 25. August 2014 erklärte Abtretung etwaiger Kostenerstattungsansprüche an den Bevollmächtigten dahinstehen, ob sich hieraus Rechtsfragen ergeben, die im vorliegenden Verfahren grundsätzlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) sind. Denn die Beantwortung der gegenständlichen Rechtsfragen ergibt sich bereits aus dem Gesetz bzw. aus höchstrichterlicher Rechtsprechung auch anderer oberster Bundesgerichte.

Es entspricht zunächst gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass im sozialrechtlichen Verfahren die die Aufrechnung betreffenden zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -, soweit sich aus §§ 51 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeine Vorschriften (SGB I) - nichts Abweichendes ergibt, entsprechende Anwendung finden (vgl. BSG, Urteile vom 12. Juni 2008 - B 3 P 1/07 R - juris Rn. 13, vom 11. Oktober 1979 - 3 RK 88/77 - juris Rn. 13 und vom 25. August 1961 - 1 RA 233/59 - juris Rn. 12f.). Sodann ist ebenfalls höchstrichterlich geklärt, dass es an der Voraussetzung einer gleichartigen Forderung gemäß § 387 BGB fehlt - danach bewirkt die Aufrechnung, dass Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind -, wenn eine Geldforderung einem Freistellungsanspruch gegenüber steht (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - IX ZR 135/08 juris Rn. 3; Urteil vom 6. Juli 1977 - IV ZR 17/76 - Rn. 51; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13 - juris Rn. 31). Nicht anders liegt es hier. Denn da der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung des Erstattungsgläubigers (hier der Klägerin) abhängt, vielmehr ausreichend ist, wenn dieser einer Honorarforderung des bevollmächtigten Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 60/13 R - juris Rn. 2; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2009 - L 1 AL 13/08 - juris Rn. 34) - soweit der Erstattungsanspruch weder an den Bevollmächtigten abgetreten noch ein Forderungsübergang aus sonstigen Gründen eingetreten ist - kann auf § 63 SGB X ein auch vorliegend streitgegenständlicher Freistellungsanspruch des Erstattungsgläubigers gegen die zur Kostenerstattung verpflichtete Behörde gestützt werden, solange dieser den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts noch nicht beglichen hat (vgl. BSG, Urte...

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