Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. elektronische Gesundheitskarte. Ruhen des Leistungsanspruchs. sonstiger Berechtigungsnachweis. Leistungsmissbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Krankenkasse kann ihrer Pflicht nach § 15 Abs 6 S 2 SGB 5, einem Missbrauch der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken, bei ruhenden Leistungsansprüchen systemkonform nur durch die entsprechende Kennzeichnung der eGK gerecht werden. Für die von Krankenkassen bei ruhenden Leistungsansprüchen verwendeten Berechtigungsscheine auf der Grundlage von Muster 85 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung (Anlage 2 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) (juris: BMV-Ä) gibt es angesichts des Wortlauts von § 15 Abs 2 SGB 5 keine parlamentsgesetzliche Grundlage.

2. Eine Krankenkasse darf einem Versicherten die Ausstellung einer eGK nicht deshalb verweigern, weil sein Anspruch auf Leistungen ruht.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 24. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht seinen Antrag abgelehnt, die Antragsgegnerin zur Ausstellung und Übergabe einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) mit Foto zu verpflichten.

Gemäß § 86b Abs. 2 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Einem Anspruch auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung steht schon entgegen, dass der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nichts zur Eilbedürftigkeit seines Anliegens vorgebracht hat. Welche konkreten Nachteile er dadurch erleidet, dass die Antragsgegnerin ihm während des - bestandskräftig angeordneten - Ruhens seiner Leistungsansprüche gemäß § 16 Abs. 3a Satz 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) nur Berechtigungsscheine ausstellt, hat er in keiner Weise dargelegt.

Der Senat weist die Antragsgegnerin allerdings darauf hin, dass sie dem Antragsteller auf einen neuen Antrag die Ausstellung einer eGK ausweislich des § 291 Abs. 2 Satz 2 SGB V (in der seit dem 29. Dezember 2015 geltenden neuen Fassung - nF -) nicht mit der Begründung verweigern darf, dass seine Leistungsansprüche ruhen (Senat, Beschluss vom 22. Mai 2014 - L 9 KR 112/14 B ER -, juris; ebenso Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht/Scholz, Stand März 2017, § 15 SGB V, Rd. 13; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Leopold, Stand März 2017, § 291 Rd. 5). Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die elektronische Gesundheitskarte in den Fällen des § 16 Abs. 3a SGB V Angaben zum Ruhen des Anspruchs auf Leistungen enthalten kann. Daraus ist zu schließen, dass eine Krankenkasse die elektronische Gesundheitskarte auch solchen Versicherten ausstellen muss, deren Leistungsansprüche ruhen, jedoch mit entsprechenden Angaben versehen kann, um die Verwendung der Karte auf die in § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V genannten Leistungen - hier: Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 SGB V sowie die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände - durch die Leistungserbringer zu begrenzen. Insoweit wird der Krankenkasse durch das Wort „kann“ kein Ermessen dahin eingeräumt, dass sie einem Missbrauch der eGK im Falle ruhender Leistungsansprüche wahlweise entweder durch eine entsprechende elektronische Kennzeichnung der eGK oder durch die Vorenthaltung einer eGK, kombiniert mit der Ausgabe der o.g. Berechtigungsscheine, begegnen kann (so wohl Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 10. März 2014 - S 18 KR 87/14 ER -, juris). Denn § 15 Abs. 2 SGB V sieht für die Inanspruchnahme ärztlicher, zahnärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung andere Berechtigungsnachweise als die eGK nicht vor. § 291 Abs. 2 Satz 2 SGB V nF enthält ausweislich der Gesetzesbegründung (Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, Bundestags-Drs. 16/4247, S. 80) vielmehr ein „Kompetenz-Kann“, das es der Krankenkasse ermöglicht, bei ruhenden Leistungsansprüchen zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch die eGK entsprechend elektronisch zu kennzeichnen. Insoweit sieht das „Systemspezifische Konzept Versichertenstammdatenmanagement (VSDM)“ der Gesellschaft für Telematik (§ 291a Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 291b SGB V) spätestens seit dem 24. August 2016 vor, dass der Kostenträger - hier: die Antragsgegnerin - die Informationen zum Ruhen eines Leistungsanspruchs gemäß ...

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