Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrag über ambulante Operationen aus dem Jahr 2006. Vergütungsregelung. Schiedsspruch des erweiterten Bundesschiedsamtes. Verstoß gegen Rechtsvorschriften des SGB 5 und gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Mischverwaltung. Verfolgung der Änderung eines Schiedsspruchs durch Bescheidungs- und nicht durch Anfechtungsklage. vorläufiges Rechtsschutzverfahren. Beschränkung auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vergütungsregelung in § 7 Abs 1 des durch Schiedsspruch des erweiterten Bundesschiedsamtes festgesetzten AOP - Vertrages 2006 verstößt gegen §§ 115 b Abs 1 Nr 2, 85 Abs 1-3 a und 71 SGB 5 und ist deshalb rechtswidrig; darüber hinaus dürfte sie gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Mischverwaltung verstoßen.

 

Orientierungssatz

1. Das Ziel der Änderung eines Schiedsspruchs durch einen Vertragspartner ist mit der Bescheidungsklage und nicht mit der Anfechtungsklage zu verfolgen (vgl BSG vom 16.7.2003 - B 6 KA 29/02 R = BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3).

2. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren muss einer der Vertragspartner sein Ziel, die sofortige Anwendung des Schiedsspruch zu verhindern, nicht mit einem Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen; vielmehr kann er sich auf einen Antrag auf Anordnung (in keinem Fall Wiederherstellung) der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG beschränken.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juli 2008 wird geändert: Die aufschiebende Wirkung der Klage des Beschwerdeführers wird im Hinblick auf § 7 Abs. 1 des durch die Entscheidung des Antragsgegners vom 15. September 2006 festgesetzten AOP-Vertrages angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer und die Beigeladenen zu 3) bis 8) einerseits und der Antragsgegner sowie die Beigeladenen zu 1) und 2) andererseits tragen die Kosten des Verfahrens jeweils gesamtschuldnerisch zu ½.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 1,25 Mio. Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Schiedsspruch des Antragsgegners vom 15. September 2006, durch den der Vertrag nach § 115 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus - (AOP-Vertrag) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung festgesetzt worden ist.

Durch Art. 1 Nr. 71 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG -) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2266) wurde § 115b in das SGB V eingefügt. Durch diese inzwischen mehrfach geänderte Vorschrift sind die Krankenhäuser zur Durchführung ambulanter Operationen und stationsersetzender Eingriffe - neben den Vertragsärzten - zugelassen worden (Abs. 2 Satz 1). Damit sollte verhindert werden, dass die Krankenhäuser auf die teure vollstationäre Behandlung ausweichen, die medizinisch aufgrund des Fortschritts im operativen Bereich vielfach nicht erforderlich ist (Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/3608, S. 103). Die Versicherten erhielten dadurch die Möglichkeit, das Krankenhaus unmittelbar, u. U. ohne Verordnung eines Vertragsarztes zur ambulanten Durchführung einer Operation, in Anspruch zu nehmen. Nach § 115 b Abs. 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Antragsgegners geltenden Fassung vereinbarten die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam, die deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen u.a. einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe (Nr. 1) sowie einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte (Nr. 2). In der Vereinbarung nach Absatz 1 konnten und können Regelungen über ein gemeinsames Budget zur Vergütung der ambulanten Operationsleistungen der Krankenhäuser und der Vertragsärzte getroffen werden. Die Mittel sind aus der Gesamtvergütung und den Budgets der zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäuser aufzubringen (Abs. 5). Kommt nach diesen Vorschriften eine Vereinbarung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, wird ihr Inhalt auf Antrag einer Vertragspartei durch das Bundesschiedsamt nach § 89 Abs. 4 SGB V festgesetzt. Bis zum Inkrafttreten einer Regelung nach Absatz 1 oder 3, jedoch längstens bis zum 31. Dezember 1994, waren die Krankenhäuser zur Durchführung ambulanter Operationen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) berechtigt. Die Vergütung, die die Krankenhäuser unmittelbar von den Krankenkassen erhalten (Abs. 2 Satz 4), richtete sich nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab mit den für die Versicherten geltenden Vergütungssätzen (Abs. 4).

Mit Wirkung zum 1. April 1993 vereinbarten die Vertragspartner des § 115 b SGB V erstmals einen AOP-Vertrag (AOP-Vertrag 1993), der von der Beigeladenen zu 1) zum 31. Dezember 2003 gekündigt und durch den bis zum 31. März 2005...

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