Entscheidungsstichwort (Thema)

unzulässige Berufung. Gerichtsbescheid. Verwerfung durch Beschluss. Berechnung des Beschwerdewertes

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 5. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte bewilligte dem 1959 geborenen Kläger mit Bescheid vom 16. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 für die Zeit von März bis August 2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) unter Berücksichtigung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit iHv mtl 43,10 €. Einen Antrag auf darlehensweise Übernahme von Futtermitteln iHv 416,50 € lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2018 ab mit der Begründung, die selbständige Tätigkeit als Landwirt sei nicht tragfähig.

Das Sozialgericht (SG) Neuruppin hat die auf die Widerspruchsbescheide vom 12. April und 13. April 2018 erhobene Klage als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2022). Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

II.

Die - vom SG nicht zugelassene - Berufung ist nicht statthaft und war deshalb nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden.

Nach § 158 Satz 2 SGG kann die Entscheidung über die Verwerfung der Berufung als unzulässig durch Beschluss ergehen. Zwar verbietet es im Regelfall das Gebot fairen und effektiven Rechtsschutzes sowie das Recht auf eine mündliche Verhandlung, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 158 Satz 2 SGG zu entscheiden, wenn diese sich - wie vorliegend - gegen einen Gerichtsbescheid richtet; allerdings sind von diesem Grundsatz Ausnahmen zulässig (vgl zum Ganzen Bundessozialgericht ≪BSG≫, Beschluss vom 21. Juli 2021 - B 14 AS 99/20 R = SozR 4-1500 § 158 Nr 9; BSG, Beschluss vom 30. Oktober 2019 - B 14 AS 7/19 B - juris - Rn 2f; Beschluss vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 31/12 B - juris - Rn 13). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier vor. Denn im Hinblick auf die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des SG steht es dem Kläger frei, gemäß § 105 Absatz 2 Satz 2 SGG dort mündliche Verhandlung innerhalb der - noch einen erheblichen Zeitraum umfassenden - Jahresfrist des § 66 Absatz 2 Satz 1 SGG zu beantragen (oder das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen). Er hat trotz des entsprechenden Hinweises durch das Berufungsgericht von dieser Möglichkeit aber bislang keinen Gebrauch gemacht (vgl für die Zulässigkeit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung durch das Berufungsgericht gerade in diesem Fall BSG, Beschluss vom 21. Juli 2021 - B 14 AS 99/20 R - Rn 12 mwN). Das Gebot fairen und effektiven Rechtsschutzes verlangt in einem derartigen Fall, in dem der Kläger noch eine mündliche Verhandlung vor dem SG beantragen kann und ihm hierfür auch noch ein Zeitraum von mehreren Monaten verbleibt, nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verwerfung des unstatthaften Rechtsmittels der Berufung. Es liegt kein Fall vor, in dem der Kläger keine echte Wahlmöglichkeit im Hinblick auf sein Recht hätte, mündliche Verhandlung zu beantragen oder eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Es ist auch von keiner unklaren Prozesslage auszugehen, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Wahrnehmung etwaiger gerichtlicher Fürsorge- oder Hinweispflichten hätte notwendig erscheinen lassen.

Die Berufung ist vorliegend nicht statthaft. Nach § 144 Absatz 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- Euro (Nr 1) oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,- Euro (Nr 2) nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2).

Nach diesen Maßstäben ist das Rechtsmittel der Berufung (§ 143 SGG) nicht gegeben. Der mit der Berufung in zulässiger Weise weiterverfolgte Wert des Streitgegenstandes übersteigt nicht den Betrag von 750,- € (vgl § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr 1 SGG), sondern erreicht lediglich 675,10 €. Einerseits wendet sich der Kläger gegen die Berücksichtigung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Rahmen der Bewilligung vom 16. März 2018 iHv mtl 43,10 € für die Zeit von März bis August 2018; dahinstehen kann dabei, dass es zu einer leistungsmindernden Anrechnung dieses innerhalb des Grundfreibetrags liegenden Einkommens ohnehin nicht kam. Darüber hinaus greift er die Ablehnung der Bewilligung...

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