Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung von Beitragsforderungen. Altersrentner. Vollstreckungsschutz. aufschiebende Wirkung

 

Orientierungssatz

1. Ein Rentenversicherungsträger hat mit der Ermächtigung einer Innungskrankenkasse deren Beitragsansprüche gegen die Ansprüche eines Rentenversicherten auf Altersrente nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB 1 jedenfalls nicht schon deswegen formell offensichtlich rechtswidrig verrechnet, weil er die Verrechnung durch Bescheid ausgesprochen hat; denn die Auffassung, die Verrechnung könne lediglich durch rechtsgeschäftliche Erklärung ausgesprochen werden und dürfe nicht durch Bescheid erfolgen, ist mindestens stark bestritten (z. B. 4. Senat des BSG gegen dessen Senate 7, 10 und 13).

2. Für die Verrechnung nach § 52 SGB 1 ist weder ein förmlicher Vollstreckungstitel notwendig, noch muss die Beitragsforderung gegen einen Selbstständigen (hier: Dachdecker) bestandskräftig oder rechtskräftig geworden sein, da der eigene Beitragsnachweis des Versicherten nach § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB 4 sogar als Leistungsbescheid der Einzugsstelle für die Vollstreckung im Sinne des § 66 SGB 10 gilt und im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin aus vollstreckbaren Bescheiden vollstreckt werden kann.

3. Im Gesamtvollstreckungsverfahren nicht befriedigte Forderungen können nicht nur nach Abschluss der Gesamtvollstreckung gem. § 52 SGB 1 verrechnet werden, wie sich aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 GesO ergibt, sondern nach der Rechtsprechung des BSG sogar während eines laufenden Insolvenzverfahrens wirksam abgegeben werden, wenn die Verrechnungslage schon vorher bestanden hat.

4. Der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs. 2 Satz 3 GesO greift gegen eine Verrechnung nach § 52 SGB 1 nicht ein, da er nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung schützt.

5. Die Aussetzung der Vollziehung eines Verrechnungsbescheids, mit dem Beitragsrückstände gem. § 52 SGB 1 mit laufenden Ansprüchen auf Altersrente verrechnet worden sind, kommt nicht deswegen in Betracht, weil der Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig würde, wenn er sich geweigert hat, eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers einzureichen, denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 51 Abs. 2 SGB 1 muss der Leistungsberechtigte selbst den Nachweis seiner Hilfebedürftigkeit erbringen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 6. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der 1933 geborene Antragsteller war Inhaber eines Dachdeckerbetriebes. Nachdem die damalige Innungskrankenkasse (IKK) Brandenburg am 31. März 1998 einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch wegen Beitragsforderungen aus dem Zeitraum “ca. 11/97 - 01/98„ unternommen hatte, beantragte sie im Juni 1998 beim Amtsgericht Neuruppin wegen Beitragsrückständen für den Zeitraum November 1997 bis April 1998 die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über sein Vermögen (Az. 15 N 335/98). Das am 15. Juni 1999 eröffnete Verfahren wurde im Mai 2005 nach Verteilung der Masse eingestellt. Zuvor war dem Antragsteller durch Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 10. Juni 2004 Vollstreckungsschutz nach § 18 Abs. 2 Satz 3 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) gewährt worden.

Zu Gunsten der IKK Brandenburg und Berlin (als Rechtsnachfolgerin der IKK Brandenburg) waren eine Forderung von 56.134,79 € im Rang nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO (Forderung 1) und eine Forderung von 5.815,94 € im Rang nach § 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO (Forderung 2) festgestellt worden. Auf die Forderung 1 wurden der IKK 15.734,36 € und auf die Forderung 2 nichts ausgeschüttet. Daraufhin wurden der IKK am 31. Januar 2007 vom Amtsgericht N vollstreckbare Ausfertigungen über 40.400,43 € für die Forderung 1 und 5.815,94 € für die Forderung 2 erteilt (Summe der titulierten Forderungen 46.216,37 €).

Bereits seit 1. November 1998 bezieht der Antragsteller von der Antragsgegnerin Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, deren monatlicher Zahlbetrag vor Verrechnung ab 1. Mai 2007 877,19 € und ab 1. Juli 2007 842,32 € betrug. Ferner erhält er eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von annähernd 270,-- € im Monat.

Im Januar 2007 richtete die IKK Brandenburg und Berlin ein Verrechnungsersuchen an die Antragsgegnerin. Sie bezifferte die noch offene Forderung einschließlich von Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren auf 41.383,26 €. Es handele sich um Forderungen aus dem Zeitraum November 1997 bis April 1998, die jeweils zum 15. des Folgemonats fällig geworden seien.

Mit Schreiben vom 27. März 2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie beabsichtige, im Wege der Verrechnung nach § 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) einen Betrag in Höhe von 438,59 € von der monatlichen Rente einzubehalten, so dass ihm ein monatlicher Betrag von 438,60 € verbleibe. Er erhalte die Gelegenheit, eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers zu übersenden, aus der hervorgehe, da...

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