Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. geringfügige Beschäftigung. Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen in Privathaushalten bei demselben Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

Der allgemeine Grundsatz (ständige Rechtsprechung des BSG zuletzt im Urteil vom 27.6.2012 - B 12 KR 28/10 R = SozR 4-2400 § 8 Nr 5), dass grundsätzlich alle von einem Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen als einheitliche Beschäftigung iS des § 8 SGB 4 anzusehen sind, findet auch im Rahmen des § 8a SGB 4 Anwendung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 94,47 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung der Pauschalbeiträge nach den für geringfügige Beschäftigungen in Privathaushalten geltenden Beitragssätzen in der Zeit vom 20. Oktober 2006 bis zum 28. Februar 2007.

Der Kläger beschäftigt G.S. als Reinigungskraft in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. G.S. reinigt seit Jahren die Büroräume der Anwaltskanzlei des Klägers. Der Kläger meldete diese Beschäftigung bei der Beklagte an und entrichtet Sozialversicherungsbeiträge. Seit dem 20. Oktober 2006 reinigt G.S. auch die Wohnung des Klägers, die sich in einem anderen Gebäude als die Kanzleiräume befindet.

G.S. erbrachte folgende Arbeitsleistungen und erzielte folgende Einkommen:

Monat 

Wohnung Kläger

Kanzlei Kläger

Arbeitszeit

 Entgelt

Arbeitszeit

Entgelt

Oktober 2006

6 h

57,- €

7,5 h

76,- €

November 2006

13 h

 123,50 €

7,5 h

76,- €

Dezember 2006

9,75 h

92,62 €

6,25 h

76,- €

Januar 2007

12,5 h

118,75 €

5.75 h

0,- €

Februar 2007

14 h

133,- €

7,25 h

 52,25 €

Am 20. Oktober 2006 meldete der Kläger G.S. hinsichtlich der am 20. Oktober 2006 begonnenen Reinigungstätigkeit in seinem Privathaushalt im Haushaltscheckverfahren an. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 die Teilnahme am Haushaltscheckverfahren ab, da dieses Verfahren ausschließlich für Tätigkeiten in Privathaushalten Anwendung finde. Der Arbeitnehmer übe mehrere Minijobs für den gleichen Arbeitgeber aus, es sei ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung sozialversicherungsrechtlich von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so dass das Haushaltscheckverfahren keine Anwendung finden könne.

Hiergegen legte der Kläger am 03. November 2006 Widerspruch ein. Die Putzstelle in seiner Kanzlei sowie in seinem Privathaushalt hätten rechtlich gesehen nichts miteinander zu tun. Bereits steuerrechtlich sei er gezwungen, nur die Kosten für das Reinigen der Kanzlei in die Buchhaltung zu nehmen und die Kosten der privaten Lebensführung hiervon getrennt zu halten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2007, der am 01. Februar 2007 zur Post aufgegeben wurde, als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 01. März 2007 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Es handele sich um zwei selbständige Arbeitsverhältnisse. Die Reinigungskosten für die Büroräume stellten Betriebsausgaben dar, die Kosten für die Reinigung der Wohnräume dagegen nicht. Die Reinigungskosten würden von verschiedenen Bankkonten bezahlt.

Der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis mit G.S. hinsichtlich der Reinigung der Privaträume zum 28. Februar 2007; seine Ehefrau setzte dieses zum 1. März 2007 fort. Diese meldete G.S. ab 01. März 2007 mittels Haushaltscheck bei der Beklagten an.

Das SG hat mit Urteil vom 19. August 2009 den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Teilnahme der G.S. am Haushaltscheckverfahren vom 20. Oktober 2006 bis zum 28. Februar 2007 zuzulassen. Die Reinigungskraft G.S. sei im streitgegenständlichen Zeitraum zum Haushaltscheckverfahren zuzulassen. Das geringfügige Arbeitsverhältnis bezüglich der Reinigung der Wohnräume des Klägers unterfalle der Regelung des § 8a SGB IV. Keine andere Bewertung ergebe sich daraus, dass G.S. bereits seit Jahren als Reinigungskraft für die Kanzleiräume des Klägers beschäftigt sei. Es könne nicht von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden. Hinsichtlich der Arbeitgeberstellung könne zwischen dem geschäftlichen und dem privaten Bereich unterschieden werden. Der Kläger habe nachvollziehbar die konsequente Trennung der beiden Arbeitsverhältnisse dargelegt. Eine Missbrauchsgefahr sei in diesem konkreten Fall nicht erkennbar.

Gegen das ihr am 15. September 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. September 2009 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 04. Juli 2011 die Berufung gegen das Urteil des SG vom 19. August 2009 zugelassen.

Die Beklagte trägt zur Begründung vor, das SG weiche im Ergebnis von der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Februar 1983 (12 RK 26/81) ab. Inhalt der Entscheidung des BSG sei die Beurt...

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