Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Zulässigkeit der Anwendung eines neuen qualifizierten Mietspiegels auf Bewilligungszeiträume vor seinem Gültigkeitszeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt der Grundsicherungsträger zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft auf einen qualifizierten Mietspiegel nach § 558d BGB ab, so steht höheren Kosten der Unterkunft im Sinne der Angemessenheit der noch gültige Mietspiegel nicht entgegen, wenn sich durch die mit der Zufallsstichprobe erhobenen Daten für den nächsten Mietspiegel Preissprünge nach oben dargetan haben. Die neu erhobenen, ausgewerteten Daten spiegeln die aktuelle Wohnungsmarktlage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung wieder (Anschluss an BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R , juris Rn. 21).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.02.2014; Aktenzeichen B 14 AS 295/13 B)

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2012 werden zurückgewiesen.

Klarstellend fasst der Senat den Tenor des Sozialgerichts Freiburg in Ziff. 1 wie folgt neu:

Der Bescheid vom 28.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2010 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 11.10.2010, 21.03.2011 und vom 10.01.2012, wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin anteilig höhere Kosten der Unterkunft in der Zeit vom 01.07.2010 bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete von 508,50 € zu gewähren.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Kosten für Unterkunft (KdU) im Zeitraum vom 01.06. bis 30.11.2010, insbesondere unter dem Aspekt, ob der Mietspiegel der Stadt F. für 2011 bereits vor dessen Gültigkeitszeitraum anzuwenden ist.

Die 1964 geborene Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum mit ihren Töchtern A. (geb. 1991) und V. V. (geb. 1994) in Bedarfsgemeinschaft in der B.str. 4 in F. in einem Mehrfamilienhaus. Ausweislich des Mietvertrags vom 26.06.2009 (Bl. 33 LSG-Akte) betrug die für die Bemessung der Miete maßgebliche Wohnfläche 96,60 m², die 3 Zimmer-Wohnung verfügt über Küche, Bad, Toilette und Balkon. Die Grundmiete ohne Nebenkosten belief sich auf 558,35 €, während hingegen der Beklagte mit Schreiben vom 30.04.2009 vor dem Umzug in die Wohnung eine Zusicherung für die Übernahme einer Kaltmiete bis 421,50 € abgegeben hatte. Die Vorauszahlungen für Heizkosten - inklusive Warmwasserbereitung - betrugen 89 € und für Betriebskosten 91,65 € (gesamt 739 €). Die Wohnung wurde im Rahmen der Wohnungsfürsorge des Bundes von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vermietet. Der technische Standard entspricht dem im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1955 und ist bei der Miete berücksichtigt (§ 5 Abs. 1 u. 2 Mietvertrag). Die Warmwasseraufbereitung erfolgte über die Zentralheizung. Die Müllgebühren werden von der Stadt F. jährlich im Januar eines Jahres erhoben, können von Alg II-Empfängern auf Antrag in monatlichen Raten entrichtet werden.

Für die Stadt F. gibt es qualifizierte Mietspiegel nach § 558d BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Der Mietspiegel 2009 galt im streitigen Zeitraum bis 31.12.2010. Die Basismiete für eine 75 m² große Wohnung beträgt danach 6,52 € pro Quadratmeter. Ab 01.01.2011 gilt der Mietspiegel 2011, der nach der Regressionsmethode in Auftrag gegeben wurde. Er beruht auf einer repräsentativen Zufallsstichprobe von 2.047 Wohnungen, die zum Stichtag 01.07.2010 im Stadtgebiet von F. erhoben wurde. Die Basismiete für eine 75 m² große Wohnung hat sich danach auf 6,78 € pro Quadratmeter erhöht.

Die Klägerin und ihre Töchter bezogen seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 06.05.2010 beantragten sie die Weiterbewilligung der Leistungen (Bl. 683 VA). Mit Bescheid vom 28.05.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihren Töchtern für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2010 KdU und Heizung unter Anrechnung von Einkommen zunächst in Höhe von 329,20 €. Hierbei wurden als angemessene Kaltmiete statt der tatsächlich gezahlten 558,35 € nur 423,75 € berücksichtigt. Heizungskosten wurden um die Warmwasserpauschale in Höhe von 16,83 € reduziert und die Betriebskosten in voller Höhe übernommen (Nebenkosten gesamt 163,82 €). Zudem berücksichtigte der Beklagte monatlich Müllgebühren für 3 Personen in Höhe von 14,98 € als 1/12 des Jahrespauschalbetrages zum Ansparen (vgl. Hinweise zu den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II vom 25.05.2010, Bl. 3 VA Bd. 3).

Dagegen legten die Klägerin und ihre Töchter wegen der KdU Widerspruch ein und begehrten als Bedarf die volle Höhe zu berücksichtigen. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2010 zurück. Lediglich die angemessenen KdU seien zu berücksichtigen, die sich bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 75 m² ausgehend von einem Quadratmeterpreis von 5,65 € auf 423,75 € beliefen (Anmerkung: Basismiete mit Abzügen für einfache Ausstattung).

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