Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragspflicht. forstwirtschaftlicher Unternehmer. forstwirtschaftliche Nutzung. Vermutung. Zuständigkeitsbescheid gem § 136 SGB 7. fehlende Bekanntgabe. Verfassungsmäßigkeit. Eigentumsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die bloße Absicht, auf einer forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftlichen Tätigkeiten zu entfalten, ändert an deren Eigenschaft als solcher jedenfalls solange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wachsen. Sie entzieht der auf tatsächliche und rechtliche Kriterien gestützten Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung nicht ihre Grundlage (Anschluss an BSG vom 23.1.2018 - B 2 U 10/16 R = SozR 4-2700 § 123 Nr 4).

2. Der Zuständigkeitsbescheid nach § 136 SGB 7 hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Er vollzieht die materielle Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers formell und stellt sie bindend fest (Anschluss an BSG vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R = BSGE 125, 120-129 = SozR 4-2700 § 123 Nr 3).

3. Die fehlende Bekanntgabe eines Zuständigkeitsbescheides steht der Inanspruchnahme zur Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht entgegen.

4. Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung verstößt nicht gegen Art 14 Abs 1 GG, da ihr keine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung zukommt (Anschluss an BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R = BSGE 94, 38-50 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1). Sie ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art 14 Abs 1 S 2 GG (Anschluss an LSG Mainz vom 19.8.2003 - L 3 U 102/02).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Pflicht des Klägers zur Beitragsleistung, seine Inanspruchnahme als Gesamtschuldner für die Beiträge sowie die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in den Jahren 2007 bis 2011 und 2016 bis 2017 streitig.

Der Kläger war zunächst zusammen mit A. und H. jeweils zu einem Drittel Miteigentümer des Flurstücks F1 in der Gemarkung R. Das Grundstück hat eine Gesamtflächengröße von 1,1408 Hektar, davon 0,8558 Hektar Wald und 0,2850 Hektar Unland. Laut Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung des Finanzamts J. vom 02.01.2018 ist zwischenzeitlich nach dem Versterben des H. dessen Miteigentumsanteil auf die Erbengemeinschaft B., R. und An. übergegangen. Den Miteigentumsanteil des A. hält inzwischen C.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft M., stellte durch an H. gerichteten Bescheid vom 22.06.2012 den Beginn ihrer Zuständigkeit für die P. Besitzgemeinschaft an dem oben genannten Flurstück fest. Sie führte aus, im Interesse einer kostensparenden Verwaltungspraxis künftig den Schriftverkehr mit H. zu führen und ihn im Wege einer gesamtschuldnerischen Haftung zur Beitragszahlung heranzuziehen.

Durch zwei weitere Bescheide vom 22.06.2012 forderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten Beiträge für die Geschäftsjahre 2007 bis 2009 (41,65 €, 41,60 € und 41,51 €) und für die Jahre 2010 bis 2011 (47,02 € und 45,37 €) nach. Diese Beitragsschulden in Höhe von insgesamt 217,15 € beglich H.

Gegen die Bescheide vom 22.06.2012 erhob der Kläger Widersprüche. Er machte geltend, er führe kein forstwirtschaftliches Unternehmen. Die Waldfläche könne wegen ihrer geringen Größe nicht wirtschaftlich genutzt werden und sei zur Verwilderung bestimmt. Durch Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die gesetzliche landwirtschaftliche Unfallversicherung umfasse auch Unternehmen der Forstwirtschaft. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht nicht Voraussetzung. Ein forstwirtschaftliches Unternehmen im Sinne des Unfallversicherungsrechts sei jedes Unternehmen, das der Gewinnung von Holz zu dienen bestimmt oder nach seiner Beschaffenheit zu dienen in der Lage sei und nach den gesetzlichen Vorschriften forstwirtschaftlich bearbeitet werden müsse. Nach Sinn und Zweck der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sei entscheidend, dass entweder konkrete forstwirtschaftliche Arbeiten durch den Eigentümer des Grundstücks selbst oder von Dritten verrichtet würden oder aber bei im Einzelfall nicht feststellbaren Tätigkeiten aufgrund der dem Waldbesitzer durch die Waldgesetze auferlegten Bewirtschaftungspflichten solche Tätigkeiten und damit die Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer vermutet würden. Die bloße Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändere an deren Eigenschaft jedenfalls so lange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wüchsen. Als Miteigentümer träfen den Kläger waldrechtliche Pflichten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Waldes. Demnach seien alle Waldbesitzer grundsätzlich der zuständigen landwirtschaft...

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