Entscheidungsstichwort (Thema)

Erziehungsgeld. Ausländer. Aufenthaltstitel. § 1 Abs 6 BErzGG in der am 19.12.2006 geltenden Fassung. Anwendung. § 1 Abs 6 BErzGG idF vom 13.12.2006. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendung von § 1 Abs 6 BErzGG in der am 19.12.2006 geltenden Fassung in Fällen, in denen eine Entscheidung über den Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27.1.1993 und 18.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden ist.

2. § 1 Abs 6 S 2 BErzGG ist verfassungsgemäß, soweit er die Berechtigung zur Gewährung von Erziehungsgeld davon abhängig macht, dass der zur Betreuung eines Kindes bereite Elternteil an der Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit rechtlich nicht gehindert ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG) im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für das zweite Lebensjahr des am 14. Oktober 2001 geborenen Kindes A. (Zeitraum vom 14. Oktober 2002 bis 13. Oktober 2003).

Die 1974 geborene Klägerin serbischer Staatsangehörigkeit ist seit 1995 mit einem Staatsangehörigen aus dem K., der als Gipser-Stukkateur versicherungspflichtig beschäftigt ist, verheiratet. Sie kam 1993 als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. Ihren Angaben zufolge wurde ihr Asylantrag abgelehnt, ihr Aufenthalt wurde aber weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland nach § 55 Ausländergesetz (AuslG) geduldet.

Die Stadt S. erteilte ihr eine Aufenthaltsbefugnis, wonach eine arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur mit gültiger Erlaubnis gestattet sei (5. 07.2001 und 10.09. 2002). Eine Arbeitsberechtigung für eine berufliche Tätigkeit jeder Art nach § 286 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhielt sie am 28.10.2003 (Bescheinigung über eine erteilte Arbeitsgenehmigung vom 14. November 2003).

Die Klägerin beantragte am 10. Dezember 2001 ErzG für das erste Lebensjahr des Kindes, das ihr mit Bescheid vom 9. Januar 2002 in Höhe von 306,78 € monatlich bewilligt wurde.

Am 3. April 2003 beantragte sie ErzG für das zweite Lebensjahr.

Mit Bescheid vom 9. April 2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis begründe keinen Anspruch auf ErzG. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag hob die Beklagte den Bescheid vom 9. Januar 2002 auf und forderte die Klägerin zur Erstattung der Leistung in Höhe von 3.681,36 € mit der Begründung auf, bei ihr hätten die Voraussetzungen für die Bewilligung von ErzG nicht vorgelegen, so dass ihr die Leistung zu Unrecht gewährt worden wäre.

Mit ihrem gegen beide Bescheide eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe damals sämtliche Unterlagen, insbesondere Fotokopien des eigenen Reisepasses sowie des Passes ihres Ehemannes vorgelegt. Ihr sei somit in Kenntnis dessen, dass sie nur im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis wäre, ErzG bewilligt worden, wodurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei. Es treffe zwar zu, dass bei ihr die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von ErzG nicht vorlägen, die entsprechenden Vorschriften verstießen aber gegen höherrangiges Völkerrecht, und zwar gegen Art. 23 der Genfer Konvention. Sie halte sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland auf und habe die Aufenthaltsbefugnis im Rahmen der Altfallregelung für jugoslawische Flüchtlinge erhalten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufenthaltsbefugnis habe sie sich mehr als sechs Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Außerdem liege ein Verstoß gegen Artikel (Art.) 3 Grundgesetz (GG) vor, denn eine Aufenthaltsbefugnis sei einer Aufenthaltserlaubnis gleichwertig.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 wurde dem Widerspruch bezüglich der Rückforderung des ErzG stattgegeben, da es an den Rückforderungsvoraussetzungen fehle. Bei der Klägerin könne Vertrauen unterstellt werden, da sie vollständige und richtige Angaben gemacht habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch betreffend die Ablehnung von ErzG für das zweite Lebensjahr mit der Begründung zurück, die Klägerin erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergebe sich nichts anderes. Auch die EG-Verordnung Nr. 1408/71 begründe keinen Anspruch, denn die Klägerin sei lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen, sei nicht als Asylberechtigte anerkannt und auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des AuslG sei nicht festgestellt worden.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, ihre Aufenthaltsbefugnis resultiere aus einem langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, verbunden mit einer langjährigen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ihres Ehepartners, was letzten Endes auch Ergebnis einer nahezu vollständigen Integra...

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