Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers auf Erziehungsgeld

 

Orientierungssatz

1. Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer hat nach § 1 Abs. 6 BErzGG Anspruch auf Erziehungsgeld unter folgenden Voraussetzungen: entweder er ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und damit eines Aufenthaltstitels, der kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; oder der Ausländer verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis, die kraft Nebenbestimmung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat.

2. Erforderlich ist insoweit eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis, mit der ausdrücklich die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit geregelt wird. Nicht ausreichend ist eine Nebenbestimmung, mit der eine Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde gestattet ist, weil hierdurch ausdrücklich eine gesonderte Zustimmungsentscheidung vorbehalten wird, an der verwaltungsintern gfs. auch die Bundesagentur für Arbeit mitzuwirken hat (BSG Teilurteil vom 30. September 2010, B 10 EG 9/09 R).

3. Die Erlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit reicht für die zum Anspruch auf Erziehungsgeld erforderliche Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus.

4. Entscheidend kommt es nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BErzGG auf die tatsächliche Innehabung des Aufenthaltstitels an, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Der bloße Anspruch hierauf reicht nicht aus.

5. Der Begriff Erwerbstätigkeit umfasst sowohl eine nichtselbständige Arbeit als auch eine selbständige Erwerbstätigkeit.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. September 2015 aufgehoben, soweit es den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2005 verurteilt hat, der Klägerin Erziehungsgeld für das Kind C. auch für die Zeit vom 27. Januar 2005 bis 22. Dezember 2005 zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu 1/10 zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für das erste Lebensjahr des Kindes C. streitig.

Die 1977 in Deutschland geborene staatenlose Klägerin ist die Mutter der 2005 geborenen Zwillingskinder C. und D. Die Klägerin stellte im Mai 2005 Antrag auf Erziehungsgeld für das 1. Lebensjahr der beiden Zwillingskinder und gab unter anderem an, sie beziehe Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Hierzu legte sie einen Bescheid der Stadt-A vom 2. Mai 2005 vor.

Aus den weiter vorgelegten Unterlagen bzw. der Aktenlage ergibt sich folgendes aufenthaltsrechtliches Bild: Aufgrund ihrer Staatenlosigkeit war die Klägerin zunächst seit dem 23. Februar 1998 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis nach den Vorschriften des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländergesetzes (AuslG). Die zuletzt erteilte Aufenthaltsbefugnis war befristet bis zum 12. Oktober 2005. Keine der dokumentierten Aufenthaltsbefugnisse enthielt eine Nebenbestimmung, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit. Mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zum 1. Januar 2005 trat das AuslG außer Kraft und die Aufenthaltsbefugnis der Klägerin galt als Aufenthaltserlaubnis (gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG) fort. Einen entsprechenden Aufenthaltstitel stellte die Ausländerbehörde der Stadt-A der Klägerin mit Datum vom 23. Dezember 2005 befristet bis zum 22. Dezember 2007 aus. Die Aufenthaltserlaubnis enthält die Nebenbestimmung, eine Beschäftigung sei nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde erlaubt, erlaubt sei eine selbständige Erwerbstätigkeit.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erziehungsgeld für das Kind C. durch Bescheid vom 25. Mai 2005 mit der Begründung ab, als Ausländerin, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder einer der Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EU-/EWR-Bürger) habe, bestehe ein Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld nur dann, wenn sie im Besitz eines besonderen Aufenthaltstitels gemäß § 1 Abs. 6 BErzGG sei. Zunächst erfülle die Klägerin nicht die Anspruchsvoraussetzungen nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Erziehungsgeldrecht unter Berücksichtigung der Regelung des § 51 Abs. 1 AuslG. Soweit für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 das Zuwanderungsgesetz und damit auch das Aufenthaltsgesetz in Kraft getreten seien, ergebe sich auch daraus kein Anspruch der Klägerin. Die Klägerin erfülle insoweit nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 6 BErzGG in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung. Sofern vor diesem Zeitpunkt eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem Ausländergesetz ausgestellt worden sei, sehe die Übergangsregelung des Aufenthaltsgesetzes zwar vor, dass eine ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge