Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Betroffensein des Kernbereichs pädagogischer Arbeit. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 2/18 R

 

Orientierungssatz

1. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit ist nicht betroffen, wenn die Schulbegleitung die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrkräfte nur absichert (begleitet). Den Kernbereich berühren deshalb alle integrierenden, beaufsichtigenden und fördernden Assistenzdienste nicht, die flankierend zum Unterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann.

2. Die Vermittlung der Lerninhalte sowie der Unterricht selbst, seine Inhalte, das pädagogische Konzept der Wissensvermittlung wie auch die Bewertung der Schülerleistungen bleibt den Lehrkräften vorbehalten und ist damit dem Kernbereich pädagogischer Arbeit zuzuordnen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.07.2019; Aktenzeichen B 8 SO 2/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts F. vom 13. Juli 2016 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Bescheide des Beklagten vom 1. August 2014 und 5. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2015 rechtswidrig sind.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme von Kosten eines Integrationshelfers / Schulbegleiters für den Besuch der E.-S.-Schule für das Schuljahr 2014/2015 im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage.

Bei dem 2003 geborenen Kläger besteht ein frühkindlicher Autismus in Verbindung mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung sowie einer Störung des Sozialverhaltens. Die Behinderung des Klägers äußert sich u.a. in einem gestörten Kontakt- und Kommunikationsverhalten, ausgeprägten stereotypen und ritualisierten Verhaltensmustern und hoher Impulsivität mit regelmäßigen Kontrollverlusten, welche häufig mit Störungen bzw. Gefährdungen anderer Personen (mit Schüler und Lehrer) einhergehen (werfen von Gegenständen, schlagen und schubsen etc.). Beim Kläger besteht eine eingeschränkte sprachliche Kommunikationsfähigkeit; Aufmerksamkeit fordert er häufig durch sozialinadäquate Handlungen ein (z.B. distanzloses Anfassen anderer, an den Haaren ziehen etc.). Des Weiteren bestehen bei ihm eine Störung des Orientierungssinns sowie Weglauftendenzen. Er benötigt auf Grund eingeschränkter grob- und feinmotorischer Fähigkeiten auch Hilfe bei zahlreichen Alltagsverrichtungen (Toilettengang, An- und Ausziehen, Essen mit Messer und Gabel etc.).

Seit seiner Einschulung besucht der Kläger die E.-S.-Schule in E., ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Das Staatliche Schulamt F. hatte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne einer Schule für geistig Behinderte festgestellt (bestandskräftiger Bescheid vom 6. April 2009).

Im Mai 2013 wurde für den Kläger erstmals beim Beklagten Eingliederungshilfe in Form einer Schulbegleitung während der gesamten Unterrichtszeit beantragt. Der Antrag wurde von der Schulleitung der E.-S.-Schule unterstützt, welche sich nicht in der Lage sah, die notwendige Betreuung des Klägers im Rahmen des üblichen Betreuungsschlüssels der Schule für geistig Behinderte (sechs Schüler pro Klasse; ein Drittel der Schulstunden mit zwei Lehrkräften pro Klasse, ansonsten eine Lehrkraft) zu gewährleisten. Das Staatliche Schulamt F. unterstützte den Antrag ebenfalls. Eine Alternative zur Beschulung in der E.-S.-Schule für den Kläger sei nicht ersichtlich, insbesondere aber im Hinblick auf die Bedürfnisse der Mitschüler mit Hilfe eines Schulbegleiters dauerhaft möglich.

Ab dem 5. November 2013 übernahm der Beklagte daraufhin die Kosten für eine Schulbegleitung im Umfang von elf Stunden pro Woche; ab dem 18. März 2014 im Umfang von dreizehn Stunden pro Woche. Mit Schreiben vom 18. März 2014 (Bl. 203 Verwaltungsakte - VA -) teilte der Beklagte dies der Mutter des Klägers als dessen gesetzliche Vertreterin mit. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass die Kosten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bis zum Ende des Schuljahres 2013/2014 übernommen würden. Eine Rechtsgrundlage nannte das Schreiben nicht. Weiter wurde mitgeteilt, dass der Vergütungssatz für eine Betreuungsstunde 25,00 € betrage und dass als Schulbegleiterin Frau Sch. zum Einsatz komme, mit der der Beklagte einen Dienstvertrag abgeschlossen habe. Die von Frau Sch. geleisteten Betreuungsstunden würden nach Vorlage des vom Lehrer gegengezeichneten Stundennachweises vom Beklagten an Frau Sch. überwiesen.

Mit Bescheid vom 1. August 2014 (Bl. 251 VA) übernahm der Beklagte für das Schuljahr 2014/2015 die Kosten der Schulbegleitung zur pädagogischen Betreuung „in Vorleistung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ im Umfang von dreizehn Stunden pro Woche. Der Vergütungssatz für eine Betreuungsstunde betrage 25,00 €. Mit Frau Sch. sei ein...

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