Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Kosten für einen Tiefgaragenstellplatz. fehlende Abtrennbarkeit. Obliegenheitspflicht. Untervermietung

 

Orientierungssatz

1. Die Kosten für eine Garage bzw einen Kfz-Stellplatz sind bei den Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB 2 zu übernehmen, wenn ein einheitlicher Mietvertrag über Wohnung und Stellplatz vorliegt, daher eine "Abtrennbarkeit" der Kosten durch eine Teilkündigung nicht gegeben ist und die Kosten der Unterkunft auch unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Kosten noch angemessen sind.

2. § 2 Abs 1 SGB 2 ist keine ausreichende gesetzliche Grundlage, um einem Leistungsempfänger eine Obliegenheit zur Untervermietung einer Garage bzw eines Stellplatzes aufzuerlegen, obwohl seine Kosten der Unterkunft insgesamt angemessen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.05.2021; Aktenzeichen B 14 AS 39/20 R)

 

Tenor

Die Berufungen des Beklagten gegen die Urteile des Sozialgerichts Freiburg vom 09.05.2019 werden zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte, ein Jobcenter in Form einer Gemeinsamen Einrichtung, wendet sich mit seinen vom Sozialgericht zugelassenen Berufungen gegen seine Verpflichtung zur Berücksichtigung der Kosten für einen angemieteten Pkw-Stellplatz nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für zwei aufeinander folgende Bewilligungsabschnitte.

Die Klägerin, eine 1986 geborene, alleinerziehende Mutter, und die Kläger zu 2 und 3, ihre beiden, im November 2013 und im Januar 2018 geborenen Söhne, bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II. Die Klägerin und der Kläger zu 2 beziehen seit mindestens 2015 Arbeitslosengeld II (Alg II) bzw. Sozialgeld (Sozg) von dem Beklagten, der Kläger zu 3 seit seiner Geburt.

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung mit Stellplatz in einer (Tief)garage. Die letzte aktenkundige Mietbescheinigung (07.01.2016) ihrer Vermieterin, einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, weist eine Grundmiete von € 350,94, eine „Vorauszahlung“ von € 125,00 (einschließlich Heizung und Wassererhitzung) und einen „Garagenzuschlag“ von € 25,56 (zusammen € 501,50) aus. Nach Aktenlage (Horizontalübersichten) hatte der Beklagte bereits in den früheren Bewilligungsabschnitten nicht die gesamten Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) berücksichtigt. Mehrfach liefen Mietrückstände bzw. offene Nebenkostennachforderungen auf.

Mit Bescheid vom 05.01.2018 bewilligte der Beklagte die Leistungen für Februar bis Juli 2018 über insgesamt € 937,72 monatlich, und zwar im Hinblick auf die bevorstehende Geburt des Klägers zu 3 vorläufig. In der Folgezeit ergingen Änderungsbescheide (vom 20.02.2018 und vom 28.02.2018). An der Vorläufigkeit der Bewilligung ändert sich nichts, weil die Klägerin aufgefordert worden war, eine Geburtsurkunde für den Kläger zu 3 einzureichen.

Nachdem dies geschehen war, bewilligte der Beklagte mit (erstem) Bescheid vom 28.06.2018 die Leistungen für Februar bis Juli 2018 endgültig. Gewährt wurden Leistungen an alle drei Kläger in unterschiedlicher Höhe, zusammen € 1.394,19 für Februar, € 1.177,71 für März, € 713.71 für April sowie je € 709,71 für Mai bis Juli 2018. An Bedarfen für Unterkunft und Heizung wurden monatlich € 350,94 Grundmiete (Nettokaltmiete), € 68,76 (kalte) Nebenkosten und € 56,25 Heizkosten (zusammen € 475,95), nicht aber die € 25,56 „Garagenzuschlag“, anerkannt. Für Februar wurde zusätzlich eine Nebenkostennachzahlung berücksichtigt.

Mit weiterem Bescheid vom 28.06.2018 bewilligte der Beklagte den Klägern für August bis Dezember 2018 je € 555,71 und für Januar bis Juli 2019 je € 825,71. Die anerkannten KdU waren identisch mit jenen des anderen Bescheids. In der Zeit danach ergingen die Änderungsbescheide vom 24.11.2018, vom 12.12.2018 (Bedarfshöhe), vom 10.01.2019 (Nebenkostennachzahlung für September 2018, Veränderung der Nebenkosten ab November 2018 auf € 113,04 kalt und € 43,95 Heizung) und vom 15.02.2019 (Nebenkostennachzahlung im März 2019). Die Grundmiete blieb unverändert, ebenso wurde weiterhin kein Garagenzuschlag berücksichtigt.

Die drei Kläger legten über ihren Prozessbevollmächtigten am 19.07.2018 Widersprüche gegen die Bescheide vom 28.06.2018 ein (betreffend die endgültige Bewilligung für Februar bis Juli 2018 mit dem Az. W 1532/18, betreffend die Bewilligung für August 2018 bis Juli 2019 mit dem Az. W 1534/18). Sie führten aus, zu ihrer Wohnung gehöre zwingend ein Stellplatz, dessen Kosten als Bedarf der Unterkunft anzuerkennen seien. Auch unter Einbeziehung dieser Kosten sei die Miete immer noch angemessen im Hinblick auf die Mietobergrenzen im Bezirk des Beklagten. Ohne weitere Ermittlungen ergingen die gleichlautenden Widerspruchsbescheide vom 14.09.2018. Kosten für eine Garage oder einen Stellplatz seinen keine KdU, da solche Einrichtungen nicht unmittelbar der Unterkunft von Menschen dienten. Solche Kosten seien nur ausnahmsweise zu berücksichtigen, wen...

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